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Christlein, Rainer; Hundt, Hans-Jürgen; Hopf, Maria; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]
Das alamannische Reihengräberfeld von Marktoberdorf im Allgäu — Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Band 21: Kallmünz/​Opf.: Verlag von Michael Lassleben, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.70653#0092
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ZUR GESCHICHTE VON SIEDLUNG UND BESIEDLUNG

Der Umfang der Besiedlung des Landes zwi-
schen Iller und Lech im 6. und 7. Jahrhundert
kann verhältnismäßig präzise umrissen wer-
den258. Bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts waren
nur die großen Flußtäler von Iller und Lech
in Besitz genommen. Das Lechfeld südlich von
Augsburg zwischen Lech und Wertach barg
Grabfunde vom Beginn des 6. Jahrhunderts in
Schwabmünchen, dem alten Menkingen 259. Orts-
namen auf -ingen prägen auch hier das Namen-
bild der altbesiedelten Landstriche 260. Ihre Süd-
ausbreitung reicht kontinuierlich bis in den
Landkreis Kaufbeuren261, wo Denklingen recht
altertümliche Grabfunde aufzuweisen hat 262,
und wird in Bidingen, Ldkr. Marktoberdorf, den
südlichsten Vorposten besitzen. Den Südrand
dieses landnahmezeitlichen Siedlungsgebietes
säumen zahlreiche -hofen-Orte (Karte Abb. 26)263.
Sie liegen im Landkreis Kaufbeuren sämtlich
in den altbesiedelten Tallandschaften und schei-
nen auf Gründungen vor 700 zurückzugehen,
wenn ihnen hier auch keine Reihengräberfried-
höfe zugewiesen werden können. Den Nachweis,
daß es sich tatsächlich um eine Ortsnamen-
gruppe der Frühzeit handelt 264, liefern die 14
-hofen-Orte des Altdorfer Beckens, einer von

Jungmoränen umgebenen kleinen Tallandschaft
im Landkreis Marktoberdorf, die mehrere Rei-
hengräberfelder, darunter die von Ebenhofen
und Thalhofen, einschloß 265. Inmitten dieser
Siedlungskammer, die von Orten mit jungen
Rodungsnamen umgeben ist (vgl. die Karte
Abb. 26), liegt Marktoberdorf. Sein Gräberfeld
datiert den ersten Vorstoß aus den landnahme-
zeitlichen Siedlungsräumen bereits in die Mitte
des 6. Jahrhunderts und somit überraschend
nahe an die Landnahmezeit selbst. Um die glei-
che Zeit werden auch anderenorts neue Tal-
landschaften erschlossen. Die Friedhöfe von
Peiting und Oberwarngau 266, beides ehemalige
-gau-Orte, beginnen etwa gleichzeitig mit
Marktoberdorf und bezeugen die Parallelität der
ersten Ausbauwelle bei Alamannen und Baju-
waren. Die beiden Altsiedelgebiete des Lech-
und Illertales werden in jenen Jahren oder nur
wenig später durch einen besiedelten Querrie-
gel verbunden, in dessen Bereich die Gräber-
felder von Salgen und Mindelheim liegen 267.
Das Voralpenland zwischen Iller und Lech barg
außer der erwähnten Siedlungskammer um das
Altdorfer Becken zwei weitere Siedlungsinseln:
den Raum um Füssen und Pfronten und das II-

258) Hierzu grundlegend R. Dertsch, Schwäbische Siedlungsgeschichte. Schwäbische Heimatkunde 2 (1949).
Archäologische Befunde brachte H. Bott in die Diskussion: Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben
(1955) 15 f. mit Karte 13. Das Fundmaterial bei M. Franken.
259) M. Franken 64 und Taf. 1,1; 6,18—19; 8, A 8.
260) Karte hierzu bei R. Dertsch, Schwäbische Siedlungsgeschichte (1949) 19 und Hist. Atlas von Bayerisch-
Schwaben (1955) Karte 15 auf S. 12.
261) Vgl. R. Dertsch, Hist. Ortsnamenbuch von Bayern. Schwaben Band 3: Stadt- und Landkreis Kaufbeuren
(1960) XI und Kartenbeilage.
262) Ein Knopfschildbuckel mit Bronzenieten von hier könnte noch durchaus mit den Schwabmünchener Fun-
den gleichzeitig sein: BVbl. 21, 1956, 320 und 328 Abb. 91,7.
263) R. Dertsch, Ortsnamenbuch Kaufbeuren (1960) Kartenbeilage; Hist. Atlas von Bayerisch-Schwaben (1955)
Karte 16.
264) Zu den -hofen-Orten aus archäologischer Sicht: H. Stoll, Badische Fundber. 17, 1941/47, 220ff. und
Zeitschr. f. Württemberg. Landesgesch. NF. 6, 1942, 16 ff.
265) Die Ortsnamen nach Dertsch, Ortsnamenbuch Marktoberdorf (1953), die Reihengräber nach M. Franken
55 ff. und R. Christlein, Bausteine zur Heimatkunde des Landkreises Marktoberdorf (1959) 23 ff.
266) Beide Gräberfelder sind praktisch unpubliziert (Prähist. Staatssammlung München); einzelne Stücke: G.
Thiry, Die Vogelfibeln der Germanischen Völkerwanderungszeit (1939) Nr. 235 und Taf. 30, 48; H. Bott,
Bajuwarischer Schmuck (1952) Taf. 3, 7. 10; 6,3.
267) Frühe Funde aus Salgen: M. Franken Taf. 6, 20; 8B, 10; 10,4; 14,11; 19, 19—21.

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