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deutscher Bauweise, jedoch modisieirt nach den Verhättuisseu und Ausorderungen
der gegenwärtigen Zeit erkeuuen lasse.

Dieser Auftrag entsprach der Auschauungsweise des Architekten, der zwar
wohl weiß, daß es viele Mäuner seines Faches uud sehr viele Kunstverständige
überhaupt giebt, welche die Ueberzeugung theilen, der gothische Stil habe sich
im Mittelalter vollständig entwickelt und sei zum Abschluß gekommen; jeder
Versuch, ihn jetzt noch zur Anwendung zu bringen, werde mislingen, sofern
entweder eine sklavische Nachahmung, die sür unsere Verhaltnisse nicht mehr
passe, oder ein Zwitterding von Altem und Neuem, eine Misgeburt entstehe,
die den Namen eines Kunstwerks nicht verdiene.

Einer solchen Ansicht ist aber schon die Erfahrung entgegenzuhalten, daß
es — von Kirchen und anderen Gebänden der Gegenwart abgesehen — neuere

Hausgeräthe in mittelalterlicher Form giebt, welchen sich nicht absprechen läßt,
daß sie in selbständigem Geiste und richtigem Gesnhl ersunven sind. Auch
dnrften nach dem Urtheil der Gegner altere Baustile überhaupt, auch nament-
lich die antiten, nimmermehr die Basis einer zeitgemäßen Bauweise jetziger
Architekten sein. Jst aber die griechische und römische Architektur einer ange-
messenen Fortbildung und Anpassung für die Verhältnisse späterer Zeitalter sähig,
so dars man auch der gothischen Bauart diese Fähigkeit nicht absprechen. Jede,
und somit auch die mittelalterlich germanische Bauweise vermag sich nach dem
Maße veränderter Lebensbedürsnisse zu regeneriren, ohne dabei ihre Grundelemente
zu verlieren, ihr charakteristisches Gepräge zu verwischen.

Ueberdem ist es kanm möglich, ohne den Blick auf Vergangenes nnd Vor-
handenes eine neue Aufgabe zu lösen. Jeder, welcher die Werke der Vorzeit
mit eingehendem Sinne studirt hat, wird sich mehr oder weniger an geschichtliche
 
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