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dringen und anfs religiöse Gebiet kaum, auf's biblische gar nicht stch wagen.
Der Anstoß hiezu giug wie zum Stahlstich erst in den dreißiger Jahren geradezn
von England und Frankreich aus, wo man sich eifrig auf die „Jllustration"
ganzer Zeitschriften und Bücher, demnächst auch der hl. Schrist warf. Eine
der ersten Verwendungeu fand das von England Herübergeschickte im Jahre
1832 in den Calwer „Zweimal zweinndfünfzig biblischeu Geschichten für
Schulen und Familien. Mit Abbildungen." Diese Bildchen waren aber zumal
anfangs ohne jeden künstlerischen Werth, stillos gezeichnet, roh und nachläßig
geschnitten und rußig gedruckt. Für so ganz kleine Darstellungen ist überhaupt
der Holzschnitt, der eine gewisse Breite liebt, nicht recht geeignet, uud uur die
größte Künstlerhand könnte in solch kleinen Raum größere Bedeutung und
tiefern Ausdruck legen. So konnten diese Bildchen, auch wenn sie besser ge-
Wesen wären, die Phantasie der Kinder nur wenig anregen und gar nicht
bilden, den Text der Geschichte nicht erklären, noch weniger das Jrdische in's
Himmlische verklären helfen. Das Büchlein hat 1854 nach 22 Jahren hundert
Auslagen erlebt nud ist heute in mehr als 130 Auflagen und in mehr als 50
Sprachen mit m eh r als einer Million von Exemplaren über Europa uild
alle Welttheile evrbreitet. Was hätte durch eiue Ausstattung mit bessern Bildern
auf die Millionen von Schülern und Familien zu Weckung und Schärfnng des
Schönheitssinnes und zn lebendigerer Einprägung geschehen können! Jn den
späteren Auflagen wurden die meisten der anfänglichen Holzschnitte mit neuen
vertauscht. Für dieJubiläumsaustage von1854kamen nun auch viele wirklich befrie-
digende und würdige Holzschnitte hinzu. Doch ist leider noch eine gute Zahl
von den, seit der 77. Auflage eingeschobenen Bildern schlechten englisch>französischen
Stiles beibehalten. Diese scheinen znm Theil Verkleinerungen von den Holz-
schnittbildern zu sein, welche aus englisch-französischem Vorrathe unmittelbar
oder durch Abklatsch in die 1835—1840 bei Metzler in Stuttgart heraus-
gekommene Bibel übergegangen und eben dem in tranrigster Gestalt zurück-
gekehrten verlornen Sohne vergleichbar sind. Die letzten Ladenhüter der Metz-
lerschen Bilderbibel wurden noch vor Kurzem von der Stuttgarter Bibelgesellschaft
ausgeboten, allerdings nicht „wegen," sondern „trotz" ihrer 309 Holzschnitt-
bilder. Aber die noch übrigen Exemplare dieser in ziemlich großem Forinat
auf sehr geriugem Papier schlecht gedruckten Bibel ohne Parallelstellen sind des
Verschenkens nicht werth. Denn die Holzschnitte sind von einer uns heute unbe-
greiflichen Rohheit und Schülerhaftigkeit. Die Zeichner, wie es scheint, meist
Franzosen haben ohne alle religiöse Weihe, ohne alles künstlerische Stil- und
Schönheitsgefühl großentheils wahre Zerrbilder geliefert in gemeiner Natürlichkeit
oder theatralischer Aufgespreiztheit. Von Jnnigkeit, Seelen- und Charakter-
Ausdruck ist keine Spur. Die romantische Phantasterei und wohlseile Esfekt-
hascherei, die im englischen Stahlstich schon so widerlich ist, wird im Holz-
schnitt vollends abscheulich. Der Holzschnitt, solchergestalt zur deutschen Bibel
zurückkehrend, war recht der Lump im falschen Königs-Mantel. Da war keine
Spur von der Wiedergeburt und dem Wachsthum neuerer, namentlich deutscher
Kunst, deren Meister in München, Wien, Dresden, Düsseldorf und Berlin seit
Jahren eine neue Welt des Schönen hervorbrachten. Aber freilich, diese neue
dringen und anfs religiöse Gebiet kaum, auf's biblische gar nicht stch wagen.
Der Anstoß hiezu giug wie zum Stahlstich erst in den dreißiger Jahren geradezn
von England und Frankreich aus, wo man sich eifrig auf die „Jllustration"
ganzer Zeitschriften und Bücher, demnächst auch der hl. Schrist warf. Eine
der ersten Verwendungeu fand das von England Herübergeschickte im Jahre
1832 in den Calwer „Zweimal zweinndfünfzig biblischeu Geschichten für
Schulen und Familien. Mit Abbildungen." Diese Bildchen waren aber zumal
anfangs ohne jeden künstlerischen Werth, stillos gezeichnet, roh und nachläßig
geschnitten und rußig gedruckt. Für so ganz kleine Darstellungen ist überhaupt
der Holzschnitt, der eine gewisse Breite liebt, nicht recht geeignet, uud uur die
größte Künstlerhand könnte in solch kleinen Raum größere Bedeutung und
tiefern Ausdruck legen. So konnten diese Bildchen, auch wenn sie besser ge-
Wesen wären, die Phantasie der Kinder nur wenig anregen und gar nicht
bilden, den Text der Geschichte nicht erklären, noch weniger das Jrdische in's
Himmlische verklären helfen. Das Büchlein hat 1854 nach 22 Jahren hundert
Auslagen erlebt nud ist heute in mehr als 130 Auflagen und in mehr als 50
Sprachen mit m eh r als einer Million von Exemplaren über Europa uild
alle Welttheile evrbreitet. Was hätte durch eiue Ausstattung mit bessern Bildern
auf die Millionen von Schülern und Familien zu Weckung und Schärfnng des
Schönheitssinnes und zn lebendigerer Einprägung geschehen können! Jn den
späteren Auflagen wurden die meisten der anfänglichen Holzschnitte mit neuen
vertauscht. Für dieJubiläumsaustage von1854kamen nun auch viele wirklich befrie-
digende und würdige Holzschnitte hinzu. Doch ist leider noch eine gute Zahl
von den, seit der 77. Auflage eingeschobenen Bildern schlechten englisch>französischen
Stiles beibehalten. Diese scheinen znm Theil Verkleinerungen von den Holz-
schnittbildern zu sein, welche aus englisch-französischem Vorrathe unmittelbar
oder durch Abklatsch in die 1835—1840 bei Metzler in Stuttgart heraus-
gekommene Bibel übergegangen und eben dem in tranrigster Gestalt zurück-
gekehrten verlornen Sohne vergleichbar sind. Die letzten Ladenhüter der Metz-
lerschen Bilderbibel wurden noch vor Kurzem von der Stuttgarter Bibelgesellschaft
ausgeboten, allerdings nicht „wegen," sondern „trotz" ihrer 309 Holzschnitt-
bilder. Aber die noch übrigen Exemplare dieser in ziemlich großem Forinat
auf sehr geriugem Papier schlecht gedruckten Bibel ohne Parallelstellen sind des
Verschenkens nicht werth. Denn die Holzschnitte sind von einer uns heute unbe-
greiflichen Rohheit und Schülerhaftigkeit. Die Zeichner, wie es scheint, meist
Franzosen haben ohne alle religiöse Weihe, ohne alles künstlerische Stil- und
Schönheitsgefühl großentheils wahre Zerrbilder geliefert in gemeiner Natürlichkeit
oder theatralischer Aufgespreiztheit. Von Jnnigkeit, Seelen- und Charakter-
Ausdruck ist keine Spur. Die romantische Phantasterei und wohlseile Esfekt-
hascherei, die im englischen Stahlstich schon so widerlich ist, wird im Holz-
schnitt vollends abscheulich. Der Holzschnitt, solchergestalt zur deutschen Bibel
zurückkehrend, war recht der Lump im falschen Königs-Mantel. Da war keine
Spur von der Wiedergeburt und dem Wachsthum neuerer, namentlich deutscher
Kunst, deren Meister in München, Wien, Dresden, Düsseldorf und Berlin seit
Jahren eine neue Welt des Schönen hervorbrachten. Aber freilich, diese neue