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geliirgeir wollte und wo man dccher hie uud da auf alte Gotteshäuser von
architektouischer Bedeutuug stößt, so ist mit Ausnahme der allerdiugs bevor-
zugten Hauptstadt das gauze übrige Land um seiue Statten des Wortes ge-
kommeu. Vou den drei Friedeuskirchen, welche nach dem dreißigjährigen
Kriege als einziger Ersatz für mehr denu 1000 verlorene Kirchen gebaut werden
durften, ist selbst die zu Schweidnitz, die bedeutendste, nur ein Bindwerks-
bau. Von den sechs Gnadenkirchen, zu deren Erbauung Karl XII. die Er-
laubniß Josephs I. in der Altranstädter Konvention erwirkte, gebührt nur
der zu Hirschberg, einer großen Kreuzkirche mit einer Kuppel auf der Vieruug
und vier Nebenthürmchen, einige Beachtung. Die Besitzergreifung Schlesiens
durch Friedrich den Großen führte sofort die Erbauung von über 200 Bethäusern
herbei. Aber die Armuth vieler Gemeiuden, mehr noch die freudige Eilfertig-
keit, wieder in die langentbehrten Thore Zions eingehen zu könneu, heischte
uur die Stillung des Bedürsnisses. Das Gesetz der kirchlichen Würde oder
der Kunst schien, nicht vorhanden. Man hat der schaulustigen Lesewelt vor 100
Jahren Abbildungen dieser Bethäuser in Holzschnitt nebst geschichtlichen Notizen
geliesert und es lohnt sich, ein solches Werkchen zu durchblättern. Deutlicher
kaun die Geschichte unserer Kirche nicht dargestellt werden, als durch jeue Ga-
lerie von Bretterhütten, die ein Land bedeckten, in welchem der römische Kultus
wahren Reichthum an schönen Bauwerken entsaltet hatte. Jndeß genügten die
ursprünglichen Bindwerk-Bethäuser schnell genng nicht rnehr. Nicht selten drohten
sie den Einsturz; eiuiger Orten wurden sie mehr denn ein Menschenalter lang
durch Stützen aufrecht erhalten. Jm letzten Viertel des vorigen und im ersten
des gegenwärtigen Jahrhunderts grifs denn der Neubau massiver Kircheu Platz
und drang in alle Landestheile. Die Säkularseier 1842 hat wohl uur wenige
jener Erstlingskirchen unverändert vorgefunden und wurde selbst für die ganze
Provinz Kin kirchbauliches Reuovations- und Ausschmücknngsjahr. Die Ge-
legenheit, das Haus des Herrn nach Grundsätzen des Evangeliums künstlerisch
auszugestalten, ist also verhanden gewesen, wie nicht leicht in einem andern
Lande, und an Opsern hat es die schlesische Gemeinde des Wortes nicht fehlen
lassen. Die Kirche zu Neichenbach (1798), eine Rotunde mit dreifacher, von
griechischen Säulenordnungen getragener Empore, die jonische Säulenhalle zu
Waldenburg (1788), die Kirche zu Sprottau (1747), in der bei der Erbauung
des neuen Thurms (1820) das uördliche Seiteuschiss der Kirche eine polygo-
nische Ausweitung gegenüber der an der Südseite des Hauptschisses befindlichen
Kanzel erfahren hat, so daß dieser, ungeachtet des seitlichen Platzes, eine cen-
trale Stellung zu Theil geworden ist, die zu Schmiedeberg (1745) und mehrere
andere sind kostspielige, nach durchdachtem Plane ausgeführte Bauten; aber die
Kirche sucht man in ihnen vergeblich. Die bauenden Meister waren keine
Kirchenbaumeister nnd allzu treue Kiuder eiuer entgeisterten Kunstperiode. Neben
diesen immerhin noch bessern Kirchen steht nun aber die weitaus überwiegende
Mehrzahl derjenigen Andachtsstätten, welche nicht allein des kirchlichen Charakters
ganz entledigt, sondern geradezu rohes Tagelöhnerwerk sind. Der Leser stelle
sich ein Oblongum mit eiuer darin rings umlaufenden, zwei oder dreimal über
einander etagirten Empore vor, vor welcher gegen Morgen ein Altar aufgestellt
 
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