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und das Jnteresse unseres Blattes zu sordern scheint. Tnrch einen Aufall bin
ich erst jetzt dazu gelangt, den Anssatz im Zusammenhange zu lesen, indessen
wird es noch nicht zu spät sein, die Disknssion wieder aufzunehmen.

Es handelt sich zunächst um das spezifisch Erbauliche im Unterschiede
von dem bloß Erhabenen, Rührenden, Ehrwürdigen, Lieblichen. Der Verfasser
vermißt dasselbe in dem erwähnten Bilde und sorscht nach der Ursache. Er
erinnert sich dabei, daß es ihm zwar bei den besten Werken älterer Meister bis
auf Dürer und Perugiuo mehr oder weniger klar und mächtig entgegengetreten
sei, aber schon bei Raphael zweiselhast werde, und vermuthet, daß dies durch
die wachsende Reflexion entstehe. Zwar macht er sich selbst den Einwurf, daß
man der göttlichen Komödie des Dante, obgleich in ihr jedes Wort aus schwerer
Gedankenarbeit hervorgehe und Dante der „reflexivste" Dichter sei, Loch das
Erbauliche nicht absprechen werde. Aber dies beruhigt ihn nicht, sei es, weil
er dies Werk überhaupt für etwas höchst Exzeptionelles, sei es, weil er die
Gleichstelluug der Dichtkunst und Malerei in dieser Beziehuug für unstatthast
hält. Zwar bemerkt er serner, daß die Einfachheit der alten Meister großen-
theils darauf beruhe, daß sie an eine Menge von Dingen nicht dachten, deren
das moderne Bewußtsein sich uicht entschlagen könne, daß daher die moderne
Kunst die sehr viel schwierigere und ohne weitergehende Reflexion nicht zu lö-
sende Aufgabe habe, alle diese Momente ästhetisch zu überwinden und bildlich
zu reproduziren. Aber dies sührt ihn nun zu einem Bedenken, ob es Ler heu-
tigen Kunst möglich sein werde, zum Erbaulichen zu gelangen.

Man köunte vielleicht sragen, ob denn die Darstellungen heiliger Geschichte
nothwendig immer den Charakter des „Erbaulichen" tragen müßten. Jedeufalls
aber ist hier jener Begriff zu eng genommen. Der gewöhnliche Sprachgebrauch
erlaubt sich wohl eine solche Beschränkung und spricht von „erbaulichen" Schristen,
indem er solche meint, vie nur die Erweckung kindlich frommer Empfindungen
beabfichtigen, die Zweifel eher umgehen als lösen und keine strenge Denkthatig-
keit in Anspruch nehmen. Allein dieser Sprachgebrauch ist bei wisfenschaftlicher
Erörterung nicht maßgebeud. Erbauuug ist Alles was christliche Gesinnung be-
gründet und stärkt, also nicht bloß jene leichtere, weiche Gefühlserreguug, sondern,
und zwar in viel höherem Grade, eine Len ganzen Menschen, Kopf und Herz
umfassende Einwirkung. Daß dabei die Reflexion nicht ausgeschlossen ist, ergibt
unzweifelhaft die Predigt, und man kaun vaher nicht mit Recht sagen, „daß die
eigentliche Erbauung einem ganz andern Gebiete des geistigen Lebens angehöre
als die Reflexion."

Vielleicht aber meint der Verfasser, daß dies, wenu auch an sich wahr, doch
von der Kunst nicht gelten könne, da sie es nur mit Gesühlen zu thun habe.
So scheint es, da er den Perugin anführt und bei Raphael zweiselhaft wird.
Auch wird er damit bei Vielen Zustimmung finden, denn unser großes Publikum
kennt fast nur noch den flüchtigen Genuß augenblicklicher Betrachtung und glaubt
ein Kunstwerk genießen zu könneu, ohne zu denken. Allein das ist eine aus
falschen ästhetischen Theorieen entstandene Unart, welche auf die Läuge noth-
wendig zur Verflachung und zum Untergange der Kunft führen müßte. Der
 
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