Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
123

wie die des natürlichen; man merket nur sein Sausen. Wie, und durch was
in Schirmer jene tiefere, religiöse Bewegung bewirkt ward, vermag ich nicht
zu bestimmen; einzelne Aussprüche in Unterredungen mit dem Verklärten haben
mich schließen lassen, daß sie nicht Sache des Gefühls, der Phantasie und
Empsindung, wie so leicht bei Künstlern, sondern Sache des Gewissens war.
Das Ringen nach Vollendung im Menschlichen, das aufrichtige Suchen, dem
Gesetze Gottes gerecht zu werden, sind Vorstufen, aus denen Ler Geist des
Herrn keine lautern Menschen stehen bleiben läßt. So ging ihm im Worte des
Herrn erst das volle Verständniß über das eigene Herz auf, und der starke
Mann ließ sich von dem Stärkeren und seiner himmlischen Liebe überwinden.
Nun fand er in der Natur nicht blos die Sprache und Ausdrücke eigener
Empsindung und Stimmung, sondern das große Erzählen der Ehre Gottes;
jetzt erst, nachdem ihm das Leid der eignen Seele, ihre Sehnsucht nach Frieden,
zum Bewußtsein gekommen, lauschte er am Ohre der Natur und hörte auch
ihr Sehnen und Seufzen nach Erlösung, empfand ihr Mitfreuen und Mitleiden
mit den Kindern Gottes. Sie ward ihm zum aufgeschlagenen Buche Gottes,
dessen Lunkle Räthselzeichen für ihn durch das Buch der Schrift ihre Bedeutung
erhielten. Und so gab er nun auch, was er gesehen und gehört, wieder; ein
Zeuge Gottes mit Pinsel und Pallette, gerade in den letzten seiner Werke, dem
Chclus der biblischen Landschaften und dem barmherzigen Samariter. Haben
Andre in der Historienmalerei biblisch gedacht, er dachte biblisch in der Land>
schaft. Mag man vom künstlerischen Standpunkte aus über den Gedanken
„biblischer Landschaften" rechten, immerhin bleiben diese seine Werke für den
christlichen Beschauer großartige Zeugnisse hohen, ernsten Strebens; etliche
unter ihnen sind geradezu Meisterwerke in Komposition und Ausführung. Er
selbst gibt in einigen zurückgelassenen Zeilen über diese biblischen Landschaften,
wodurch er für uns in die Reihe der christlichen Künstler tritt, einen Aufschluß:
„Seit langer Zeit," schreibt er, „strebte ich darnach, meinen lieben biblischen
Geschichten eine entsprechende Form durch die Landschaft zu geben; in kindlicher
Pietät habe ichs versucht, deu Eindruck bildlich wieder zu geben, den diese
wunderbaren göttlichen Erzählungen auf mein Gemüth von Jahren her gemacht
haben, und so habe ichs denn endlich gewagt, durch jahrelanges Streben und
Studiren dieses heiligen Stofses ein bescheidenes Zeugniß abzulegen. Diese
Bilder sind sür das Volk, also für ein öfsentliches Museum bestimmt. Unsere
Zeit des Fortschrittes liebt nicht gerade diesen Gegenstand, sowie diese künst-
lerische Behandlung der Landschaft; man verlangt Realitäten." — Dieser Cyclus
ist erst begonnen und nicht zum Abschluß gekommen; er ist ein heiliges, letztes
Vermächtniß an die deutsche Kunst. Wie einst sein Frennd Mendelssohn-Bar-
tholdi über seinem Oratorium „Christus," so ward er über seinen biblischen
Landschaften abgerufen. Wenn sich ein Mensch zur Darstellung des Höchsten
anschickt, dann ist auch schon eine innere Verklärung vorhanden, die zum
Schauen reif macht. Plötzlich und unerwartet starb er, wohl nach längerem
Leiden, aber nach nur kurzer Krankheit in voller Manneskrast im 56ten Jahre
seines Lebens den 11. September vorigen Jahres.

Jn Schirmer tritt uns eine außergewöhnlich reiche Natur entgegen; ebenso
 
Annotationen