Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

biblischen Denkspruch, unter welchem ein entsprechender Vers oder Reim steht,
gibt ein Initial-Miniaturbild historische oder symbolische Illustrationen in
zartem Holzschnitt.
Die christliche Symbolik, deren Gebiet hier der Künstler betritt, ist nicht
Jedermanns Sache und erfordert einen ebenso nüchternen als poetischen Sinn,
ein ernstes geschichtliches Studium und eine strenge Kritik. Mit letzterer dem
Künstler auch im Kleinen an die Hand zu gehen, wollen wir nicht unterlassen.
Der Maßstab, womit wir das christliche Sinnbild messen, soll kein subjektiver
und willkürlicher sein.
Ein christliches Sinnbild muß biblisch begründet, kirchlich bewährt, leicht
verständlich und wahrhaft schön sein. Hienach können wir die Mehrzahl der
64 vor uns liegenden Blättchen als untadelig anerkennen. Da begegnet uns
die Bibel mit Kreuz und Palme, die Taube mit dem Oelzweige, der Adler
aus dem Neste, die Henne mit den Küchlein, die Arche Noäh aus dem Wasser
und dem Berge,' der Fels im Meere, der Schmelztiegel, der Anker, der Kelch
mit Wein und Aehre,das Kreuz allein oder mit Schwert und mit Kranz, die Krone
mit Dorn und mit Palme, auch letztere allein. Das sind lauter biblisch und
kirchlich anerkannte, leicht verständliche und schöne Symbole. Auch die Lilie
als Sinnbild der Herzensreinheit ist wenigstens im Hinblick auf sie als Attribut
der Jungfrau Maria kirchlich annehmbar. Aber nimmermehr die Rose das
Kreuz umschlingend als Sinnbild der christlichen Tugenden und der „leichten
Last" Christi. Biblisch wird die christliche Tugend als Frucht, nicht als Blüthe
dargestellt. Die Rose aber gilt der Kirche als Symbol sinnlicher Liebesgluth
und heidnischer Fleischeslust: bei heidnischen Schmäußen und weltlichen Orgien
spielte sie eine Hauptrolle. Also ist die Rose nicht biblisch und kirchlich als
Symbol zu verwenden, ob auch der modernen Sentimentalität das von Rosen
umflatterte Kreuz in den zwei Schnorr'schen Bildchen ganz vorzüglich gefallen mag.
Minder gefällig sind jedenfalls die zwei Trompeten als Symbole des
Gottesworts und das Buch in Sternen für das Buch des Lebens ist nicht
ebenbürtig dem Lebensbuch, das die kirchliche Kunst einem Engel oder dem
Herrn selber - in die Hand zu geben Pflegt. Etwas frostig ist die Sonne über
Wolken; ebenso die über Wolken sichtbare Hand als Symbol der Gottesführung.
Für Confirmanden unverständlich und unpassend ist das 'sonst schöne und nicht
unbiblische Symbol des Brautrings für „Ich bin dein." Ebenfalls unverständlich
und dabei unschön ist die Taube im Neste zu dem Spruch: „Meine Seele ist
stille zu Gott, der mir Hilst." Pilgerhut, Tasche, Stab und Flasche dran zu:
„Befiehl dem Herrn deine Wege" ist, auch wenn's deutlicher gezeichnet wäre,
unserer evangelischen Volksanschauung so fremd als die Sanduhr geworden,
seit letztere von unfern Kanzeln gewichen ist. Den Tod aber durch Sense und
Mohn, den betäubenden, zu bezeichnen, ist weder klassisch noch christlich, sondern
modern heidnisch aus der Renaissance- und Zopfzeit. Modern theatralisch und
durchaus unkirchlich ist das mehrmals in diesen Blättern sich entleerende Füll-
horn. Geschmacklos katholisch ist das wiederholt vorkommende brennende Liebes-
herz. Judaisirend ist das Auge Gottes im Dreieck, das die Renaissance und
Perückenzeit aus der Kabbala in die Kirchen schmuggelte. Endlich fällt es
 
Annotationen