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Ueber allen diesen Stätten aber schwebte ihm trotz aller religiösen Ver-
ehrung ein unheimliches Grauen. Die lichte Verklärung des Todes war ihm
eine unbekannte Idee. In der Beleuchtung dieser Zustände erschauen wir erst
ganz die volle Bedeutung der Grablegung Christi, da unsere Gräber nun ge-
weihte Stätten sind durch seinen heiligen Leib, da aller Graus des Todes nun
verschlungen ist in den Sieg. Dem alten Griechen Hausen, wie Pausanias
sagt, unweit des Grabes jene unheimlichen äii averrunei, sie muß man sühnen,
wenn es gilt vorhandenes Unglück zu beseitigen oder hereinbrechendes abzulenken.
Von dort also bricht alles finstere Unwesen über die Welt herein. Es sind
böse, gefährliche Geister, die nach Gebeten und Opfern nichts fragen, für welche
ganz besondere, von den übrigen verschiedene Sühnmittel vorgeschrieben waren.
Ueberblicken wir noch einmal die Grundsätze, welche die Alten in Bezug
aus die Beerdigung ihrer Todten festhielten, so können wir allerdings nur mit
höchster Achtung von der tief ernsten Anschauung reden, von welcher sie bei
diesem letzten Liebesakt der Trauernden ausgingen. Es steht solche An-
schauung hoch über der frivolen, scheinbar philosophischen Ansicht, daß der
Leichnam nichtZ mehr sei, daß man ihn getrost mit todten Hunden in ein Loch
Wersen möge. Solche trostlose Lehre wäre auch der Tod für alle künstlerischen
Bestrebungen, die Gräber zu verherrlichen. So wichtig erschien dem Alterthum
die Heilighaltuug der Todten, daß Thucydides in seiner ausgezeichneten Be-
schreibung der Pest zu Athen das als eine der schauerlichsten Folgen der da-
durch eingetretenen Entsittlichung schildert (2, 52.), daß man selbst um die
Todten sich nichts mehr kümmerte. Um die Quellen lagen die Verschmachteten,
die Heiligthümer waren mit Todten angefüllt. Geringschätzung trat ein gegen
alles Heilige und Ehrwürdige, und dieses charakterisirte sich besonders dadurch,
daß selbst die Normen nicht mehr galten, welche für das Begräbniß fest standen.
Jeder begrub die Seinen, wie er eben vermochte; der nächste beste Weg
war gut genug. Man warf den Todten auf einen beliebigen Scheiterhaufen
und ging davon, ohne sich weiter um ihn zu kümmern, man machte sich kein
Gewissen daraus, ihn zu einem fremden Todten in's Feuer zu werfen. Wo
es also zuging, da sah der Geschichtschreiber den tiefsten sittlichen Verfall eingetreten.
Wenn also der Heide in der Regel das Begräbniß der Seinen als eine
heilige Pflicht ansah, wenn er namentlich Den Monumenten seiner Verstorbenen
mit Vorliebe sein künstlerisches Interesse zuwendete: so werden wir alle Zeit
mit hoher Achtung von diesem wahrhaft sittlichen Elemente der alten griechischen
und römischen Welt reden müssen. Und doch müssen wir gestehen, daß gerade
die erhebendsten Momente in der Anschauung des Todes ihm abgehen, daß
daher auch die Entfaltung der Kunstgedanken hierüber nicht blos die christliche
Welt nicht überragen kann, sondern weit hinter der Darstellung christlicher
Grabesgedanken Zurückbleiben muß. Im Christenthum schwingt sich das Leben
siegreich und in leichtem Fluge über den Tod empor, im Heidenthum ist die
Grabesstätte das feste, eherne Haus, mit massigen Mauern, mit ehernen Pforten,
mit verschlossenem Riegel. Nur Wenige sind es, welchen die dem Volke fremden
Ideen der Mysterien eine erfreuliche Aussicht eröffnen. Aber unser Glaube ist
der Sieg, der die Welt und allen Weltbann überwunden. Nicht in der Welt
 
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