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sondere Leserkreise verfaßt. In dieser Zeit und in diesen Kreisen konnte aller-
dings von kirchlicher Kunst nicht viel die Rede sein. Wer aber hieraus schließen
wollte, daß die Kunst dem Geiste der Kirche zuwider sei, der schlösse nicht
besser, als jener, welcher das Fleischessen für unmenschlich erklärte, weil es den
Neugebornen nicht zuträglich sei. Das gilt es immer im Auge zu behalten,
daß in der eigenthümlichen Lage der Urgemeinde die Hindernisse für eine frucht-
barere Kunstübung gegeben waren. Eine Gemeinschaft muß feste Fundamente
und feste Formen für ihr Bestehen gewonnen haben, ehe sie den ihr innewoh-
nenden Geist offenbaren kann. Die bildende Kunst ist eine der späteren Er-
scheinungsformen dieses Geistes. Jene Festigkeit mußte sich aber die Urkirche
noch erkämpfen. Sie, die den Tag pries, an dem sie noch das Licht begrüßte,
Vie das Geheimniß der Nacht und einsamer Schlupfwinkel aufsuchte, um ihre
Gottesdienste von den Feinden ungestört zu feiern, hatte für die Kunst nicht
Zeit noch Raum. Wir würden deßhalb von dieser Zeit gar nichts anderes,
als höchstens schwache Anfänge einer christlichen Kunst erwarten, selbst wenn
ihr nicht die heidnische Kunst vor Augen gestanden und durch ihre Beziehung
zum Götzendienste eine richtige Würdigung der Kunst an sich aufgehalten hätte^
Was aber damals natürlich und unvermeidlich war, kann zu einer andern Zeit
unnatürlich und deßhalb verkehrt sein. (Schluß folgi.)

Adolph Wichmann in Dresden.
Wekrolog.
In den letzten Tagen des Februars geleitete die Dresdener Künstlerschafd
einen der Tüchtigsten aus ihrer Mitte zu Grabe; der Historienmaler und Lehrer
an der Dresdener Akademie, Wichmann, der durch eine Reihe seiner Werke
weithin bekannt und anerkannt ist, starb nach langjährigem Brustleiden in seinem
sechsundvierzigsten Jahre.
Aus Hannover stammend, begann er seine Künstlerlaufbahn in Dresden,
wo von den Lebenden Bendemann, Peschel und später Schnorr den meisten
Einfluß auf ihn ausübten, während die eigentliche künstlerische Macht, unter
der er mir gestanden zu haben scheint, die hiesige Gallerte und in ihr haupt-
sächlich Paul Veronese gewesen. Es'ist dies etwas Seltenes; außer bei Wich-
mann habe ich den ganz bestimmten Einstuß einer Gallerte noch kaum bei
Jemanden bemerkt. Anders ist es, wenn an Ort und Stelle, z, B. in Venedig,
Himmel, Leben und Kunst einen bis dahin nach etwas Unbewußtem Schmach-
tenden wie im Wirbel fortreißen und von da an seinen Werken den Charakter
ausprägen. Im großen Ganzen wirkt wahrhaft befruchtend nur die lebendige
Kunst in den Meistern, die man schaffen sieht.
Wichmanns äußerer Habitus und seine Kunst standen in grellstem Gegensatz.
Ein Sohn des Nordens, ein sehr ernster Christ, still und nüchtern in seinem
Benehmen, blond und verständig aussehend, zumeist unter dem Druck kleinster
Verhältnisse lebend, wer hätte da zugleich vermuthet den ausgeprägtesten Farben-
sinn nach der Seite des Reichthums und venetianischer Ueppigkeit und zumeist
 
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