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von Tübingen, zwei Stunden von Hechingen entfernt gelegen, eine nicht unbe-
deutende Stelle ein. Mehr freilich als ihrem kunstgeschichtlichen Werthe verdankt
die Kapelle, melche, mie die bekannte benachbarte Wurmlinger Kapelle in
L. Uhland, auch um ihres landschaftlichen Reizes willen in G. Schwab ihren
Dichter gefunden hat, ihre Berühmtheit immer noch der Sage, welche ihren
Ursprung, wenigstens eiuzelnen Bestandtheilen nach, in die graue Vorzeit heid-
nischen Alterthums zurückverlegt und sie zu einem Alterthume ersten Ranges, zu
nichts geringerem nämlich als zu einem Baals- oder Belstempel mit Hinweisung auf
den eigenthümlichen Ortsnamen Belsen gemacht hat. *) Durch seltsame Sculp-
turen nämlich im westlichen Giebel zwischen regelmäßigen Quadern von weißem
Keupersandstein — zwergartigen Gestalten mit rundem Kopf, hängenden Armen (in
der einen Hand einen nicht mehr erkennbaren Gegenstand haltend), ausgespreizten
und unten zusammengeschlossenen Beinen, nebst zwei Paaren von Widderköpfen
und einem Farrenkopf, beide letzteren von auffallend besserer Arbeit als die
ersten — hat sich früher als Vermuthung geltend gemacht: es hätte hier in
uralten Zeiten ein altgermanischer Licht- und Sonnencult stattgesunden, in der
späteren Zeit römischer Niederlassung und Religionsmengerei hätte sich sodann
der germanische Cult mit dem ähnlichen römischen aus der persischen oder
ägyptischen Religion entlehnten Baals-, Mithras-, Jsiscultus vermengt, und
zuletzt hätte ein christlicher Baumeister, was er von heidnischen Tempelresten
vorfand, bei der Erbauung einer christlichen Kapelle verwendet, in der Weise,
daß er die vorgefundenen Reste von innen nach außen verlegte, um sie im
Sinne von Coloss. 2, 15. „zur Schau zu stellen", oder an untergeordueter
Stelle einfügte, wobei die Jdee der Ueberwindung des Heidenthums durch die
Religion des Kreuzes das Motiv für die Ornamentirung abgegeben hätte, wie
denn in der That diese Jdee, das Kreuz in Mitten der Sonnen und Monde,
oder über den Thierköpfen und Götzen thronend, in verschiedenen Variationen
wiederkehrt. Auffallend bleibt immerhin, möge es auch gewiß sein, daß wir
wirkliche römische Baureste in Württemberg nur unter der Oberfläche der Erde
zu suchen haben, daß die Sage des heidnischen Ursprungs seit Jahrhunderten
so constant sich erhalten hat, die eigenthümliche Lage der Kapelle östlich vom
Orte auf dem rundlichen, weithin sichtbaren Hügel im Angesicht der gewaltigen
Höhen der Alb, die zu einer Stätte religiösen Cultus zu alleu Zeiten einladen
mochte, ferner die auffallende Aehnlichkeit der genannten Götzenbilder mit
Darstellungen altgermanischer Lichtgottheiten in Schweden (Upsala), welche von
durchaus glaubhafter Seite versichert wird. Jndessen ist die Verwendung von

*) Bei dem Ortsnamen Belsen (urkundlich znerst 1404 auftretend als „rv^Isr Lslssn"),
welcher aus dem Deulschen ganz wohl erklärbar — Bels-Heim, Lnläis-Usim, wobei der erste
Theil den Namen des ersten Colonisten enthielte, auch sonst in Dentschland vielfach vorkommk
in Zusammensetznngen, wie Belzhag, Belzhof, Belzmiihle — wnrde, wenn die Voranssetzung
vorgermanischen Ursprnngs zuträfe, wie so viel Keltisches auf allemaiinischem Boden nachklingt,
zu denken sein an den keltifchen Gott Lsnl, Lsli, in älterer Zeit Lslsnns, Lslinns, dessen Nanie
in einer Reihe urknndlich belegter keltischer Ortsnamen anklingt. Daß in nächster Nähe die oolonin
Lnmnloosnns und, Lolioininm (Rottenburg — Sülckien) entschieden keltifchen Klanges, wäre hiefiir
von Bedentung.
 
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