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doch schon der äußere Anblick aus der Ferne dem kundigen Auge, daß hier ein
von außen und innen würdiges und schönes Gotteshaus geschaffen worden ist.
Diese Kirche ist die im Jahre 1869 eingeweihte neue Kirche zu Cainsdorf,
einem aus über 2000 Seelen und größtentheils aus Bergleuten und Hütten-
arbeitern bestehenden, eine Stunde von Zwickau entfernten Dorfe. Es sind in
Sachsen auch auf dem Lande in neuerer Zeit wohl schönere und größere Gottes-
häuser gebaut worden, als die Cainsdorfer Kirche. Nicht leicht aber dürfte bei
einer andern Kirche Alles, besonders was die innere Ausschmückung betrifft,
so schön und harmonisch, stylgemäß bis ins Einzelste, bis auf das Kreuz, welches
den Leichen vorangetragen wird, und den Stab, mit welchem die Altarkerzen an-
gezündet und ausgelöscht werden, zusammenstimmen wie hier. Mögen diese Zeilen,
welche den Bau schildern, mit dazu beitragen, bei Geistlichen, Kirchenvorstehern
und Gemeinden die Lust zu wecken, ihren Kirchen einen wahrhaft edlen erhebenden
Schmuck zu verleihen.
Die Verhältnisse, welche den Bau dieser Kirche hervorriefen und ermöglichten,
dürften auch für weitere Kreise so interessant sein, daß wir zunächst mit einer
kurzen Schilderung derselben beginnen wollen. *) Das Dorf Cainsdorf bildete früher
mit dem Dorfe Ober- und Niederplanitz und Neudörfel eine Kirchengemeinde,
welche bis zum Jahre 1830 aus etwa 1500 Seelen bestand. Da begann namentlich
mit der Eröffnung der Sächsisch-Bayerischen Eisenbahn im Jahre 1845 ein vorher
nie geahnter Aufschwung der hiesigen Steinkohlenbergwerke und mit dem Auf-
schwungs der Kohlenindustrie und der Errichtung eines großen Hüttenwerkes, der
Königin-Marienhütte, wuchs die Einwohnerzahl von Planitz und Cainsdorf ganz
außerordentlich. Nicht nur aus allen Theilen Sachsens, besonders aus den Berg-
werksgegenden des Erzgebirges, sondern auch aus andern Gegenden Deutschlands
zogen Menschen herbei, weil sie hier leicht gut lohnende Arbeit fanden. Betrug
noch im Jahre 1850 die Zahl der Geburten 164, die der Gestorbenen 99, die
der Getrauten und Aufgebotenen 34, so waren im Jahr 1860 363 geboren, 195
gestorben, 49 Paar Aufgebotene und Getraute, 3983 Communicanten, und im
Jahre 1868 133 Paar Getraute und Aufgebotene, 589 Geborene, 326 Gestorbene
und 5260 Communicanten. Die Seelenzahl der gesammten Parochie aber war
1869 auf über 8000 Seelen gestiegen. Kein Wunder war es, daß zu dieser Zu-
nahme der Bevölkerung weder die alte, für eine Gemeinde von 900 Seelen er-
baute Planitzer Kirche, noch die sonstigen kirchlichen Verhältnisse passen wollten.
Man suchte sich zunächst mit der Anstellung zweier Geistlichen, eines Pfarrers und
eines Diaconus, und mit der Einrichtung eines doppelten Gottesdienstes an jedem
Sonntage zu helfen. Allein es waren dies doch nur Nothbehelfe. Man sah gar
bald von allen Seiten ein, es müsse eine gründliche Aenderung in den kirchlichen
Verhältnissen eintreten, wenn dieselben gedeihen sollten, es müsse zu einem Neu-
bau geschritten werden. Freilich die Ansichten über die Art und Weise der Neue-
rungen in der Parochie und über den vorzunehmenden Kirchenbau waren sehr ver-
*) Näheres ist zu finden in dem bei der Einweihung der Kirche vom Ortspfarrer ?. Schenkel
herausgegebenen kleinen Schristchen: „Erinnerung an die Gründung einer eigenen Parochie und den
Bau einer Kirche in Cainsdorf, im Selbstverläge des Verfassers."
 
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