Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
94

weise erlaubt er sich hie und da, wie auf unserem Gemälde in den viel ange-
fochtenen Gruppen der Christenfamilie und des Ahasverus, auf den Zusammenhang
der einzelnen Kompositionen unter einander hinzuweisen und daran zu erinnern,
daß alle einzelnen zusammen die Totalität eines großen Gemäldes bilden und
aus diesem Zusammenhang heraus beurtheilt sein wollen. — Wiederum waren
es die mächtigen Dimensionen der Flächen und die Bestimmung des Baues selbst,
welche zu umfassenden cyclischen Entfaltungen großer Ideen aufsorderten. In
der Ausführung liegt nichts, was gegen die aus dem Wesen der Malerei genom-
menen Gesetze verstieße; der Künstler hat die Grenzen der Malerei weiter gerückt
als gewöhnlich; über sie hinaus gegangen ist er nicht. Wo die gewaltige Idee,
durch ein Zusammenschließen der übersinnlichen und sinnlichen Welt ein Bild der
historischen Wellordnung selbst zu geben, mit so künstlerischem Maaß, mit so
strenger Abwägung der Grenzen der Kunst, mit so siegender Gewalt durchgeführt
wird, da haben auch diejenigen Recht, welche in solcher Malerei den glücklichen
Wurf einer neuen großen Stilgattung, die Eröffnung einer neuen Bahn sehen,
die zu betreten nur verstattet sein wird, wo so gewaltige Aufgaben winken wie
hier, und nur dem, welcher einen gleich universell gebildeten, mit dem tiefsten
Gehalt unserer Zeit getränkten Geist, einen gleichen künstlerischen Takt, eine gleich
geniale Gestaltungskraft mit hinzubringt als eben Kaulbach.

Medaillon für eine Taufkeindecke.
Es ist bekannt, daß die christliche Kunst nicht bloß in den ältesten Zeiten,
wo sie ja überhaupt noch von der Antike sehr abhängig war, sondern bis weit
in das Mittelälter hinein antike Motive und Vorbilder vielfach benutzt hat, indem
sie den dem natürlichen Leben oder auch den reinern heidnischen Mythen entnom-
menen Gestaltungen einen christlichen Sinn unterlegte. Es würde sicher ein miß-
verstandener Purismus sein, wenn wir die auf solchem Wege entstandene Bereicherung
der symbolischen Bildersprache unbedingt abweisen und vielleicht nur solche Sym-
bole zulassen wollten, welche unmittelbar aus der heil. Schrift entnommen sind.
So wird denn auch Niemand mit unserem, den Lesern dieses Blattes bereits
bestens bekannten, Musterzeichner Beck rechten, daß er das aus antiken Gemmen
öfters vorkommende Bild von Vögeln, die aus einer Brunnenschale trinken, zu einem
Medaillon für eine Taufsteindecke verwendet hat, wie man sofort sehen wird, in
durchaus selbstständiger Weise und mit der Bestimmung, als Stickerei ausgesührt
zu werden.
Die Deutung des beigegebenen Bildchens liegt auf der Hand; in dem speciellen
Falle jedoch, in welchem es zur Ausführung gelangte, war diese eine doppelte.
Es wurde nämlich dieses Medaillon, auf schwarzem Tuche mit weißer Seide und
Silberschnürchen ausgeführt, von zwei dankbaren Badegästen der Kirche des Badeorts
Wildbad im Schwarzwalde für ihren Taufstein dargeboten. Die Stifter hatten
bei der Wahl dieses Musters gleichmäßig an den heilkräftigen Quell, mit welchem
 
Annotationen