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seine und der Engel Freude und Wonne vor wie nach seiner Menschwerdung, und
aus lauter Liebe sich selbst hingebcnd für die gefallene Menschheit. Zeuxis erwählte
zu Croton, um ein schönes Jungfrauenbild zu schaffen, zum Modelle dazu die fünf
schönsten Jungfrauen der Stadt aus. Wenn aber auch aus tausend Städten, ja
aus tausend Welten, tausend und aber tausend Jungfrauen alle Leibes- und Seelen-
schönheit zusammenbrächten und dieselbe in einem Bilde zusammengefaßt werden
könnte, so würde dasselbe doch nicht heranreichen an die Schönheit des höchsten
Liebesbildes. Dasselbe erscheint aber auch über Alles herrlich, weil es das beste, ja
das einzige wahre Heils- und Trostesbild ist: denn es ist in keinem Andern
Heil und kein andrer Name den Menschen gegeben, darinnen sie können selig werden.
II. Im zweiten besonders ausführlichen Theile der Predigt wird nun das gesammte
Copialwerk zusammengefaßt und gezeigt, wie das herrlichste Lebens-, Liebes-,
Heils- und Trostesbild in mannigfachen Abbildern den Menschen mehr und mehr
und immer klarer vor Augen gemalt worden sei, und zwar
1. im wundergroßen Weltmalwerk der allgemeinen Schöpfung
(xioturu inuorovosruiau) nach Hebr. I, 2. 3, da der Schöpfer sein Malertuch so
weit ausgespanut, als der Himmel hoch und die Erde breit ist. Da spiegelt sich in
dem großen Gemälde der an den mannigfaltigsten Stein- und Pflanzenbildungen, wie
an den lieblichsten Landschaften so reichen, durch die verschiedenartigsten Kreaturen
belebten, am Tage von der Hellen Sonne und bei Nacht von den Windlichtern des
Mondes und der Sterne erleuchteten und durch den Frühling alljährlich erneuten
und verjüngten Natur nicht nur deS erhabnen Werkmeisters Majestät und Allmacht,
die Alles mit einem Worte ins Dasein gerufen, sowie seine Weisheit, die Alles nach
Zahl, Maß und Gewicht abgewogen, und seine alle Geschöpfe beglückende Güte,
sondern auch seine Wahrhaftigkeit und Treue, die Alles in der schönsten Ordnung
fort und fort bestehen läßt, während die schönsten menschlichen Kunstwerke, so hoch
man auch, wie an den Dürerschen und Cranachschen, den Bestand ihrer Farben
rühme, endlich doch gleich den Meistern selbst vergehen, so daß man oft wehmüthig
seufzt: daß doch die kunstreiche Hand stauben soll! Dennoch hat Kunst oft ganze
Städte vor Noch und Untergang bewahrt. So verschonte Demetrius, als er Rhodus
eingenommen, die Hauptstadt der Insel, die er erst den Flammen übergeben wollte,
um eines einzigen in ihr befindlichen kunstreichen Bildes willen. So besteht die
Welt, weil das allerliebste Ebenbild Gottes mitten in ihr, in der Stadt Gottes, ist.
Darum halt im Gedächtniß Jesum Christum rc. re. Derselbe wird uns aber auch
vor die Augen gemalt
2. im wunderkleinen Weltmalwerk der Menschenschöpfuug
(püoturu miorooosiuiou) als in der Quintessenz und Blüthe der ganzen Erd-
schöpfung. Wie oft ein Kunstmaler mit sich zu Rathe geht und allen Fleiß auf-
bietet, ein umfangreiches Werk, das er erst gefertigt, zu größerem Nutzen in die
Enge, als etwa in den Raum eines Fingerrings, zu bringen, so ging auch der all-
mächtige Kunstmeister, als das große Weltgebäude vollbracht war, mit feinem himm-
lischen Vater und mit dem heiligen Geiste zu Rathe, das, was in der Welt groß
und weitläuftig ist, in das kleine Wunderbild des Menschen einzutragen. So ist der
Mensch, diese kleine Welt, nicht nur ein Bild der großen Welt, sondern auch ein
Bild Gottes, ihm ähnlich, zwar nicht so wie das selbstständige Ebenbild seines lieben
seine und der Engel Freude und Wonne vor wie nach seiner Menschwerdung, und
aus lauter Liebe sich selbst hingebcnd für die gefallene Menschheit. Zeuxis erwählte
zu Croton, um ein schönes Jungfrauenbild zu schaffen, zum Modelle dazu die fünf
schönsten Jungfrauen der Stadt aus. Wenn aber auch aus tausend Städten, ja
aus tausend Welten, tausend und aber tausend Jungfrauen alle Leibes- und Seelen-
schönheit zusammenbrächten und dieselbe in einem Bilde zusammengefaßt werden
könnte, so würde dasselbe doch nicht heranreichen an die Schönheit des höchsten
Liebesbildes. Dasselbe erscheint aber auch über Alles herrlich, weil es das beste, ja
das einzige wahre Heils- und Trostesbild ist: denn es ist in keinem Andern
Heil und kein andrer Name den Menschen gegeben, darinnen sie können selig werden.
II. Im zweiten besonders ausführlichen Theile der Predigt wird nun das gesammte
Copialwerk zusammengefaßt und gezeigt, wie das herrlichste Lebens-, Liebes-,
Heils- und Trostesbild in mannigfachen Abbildern den Menschen mehr und mehr
und immer klarer vor Augen gemalt worden sei, und zwar
1. im wundergroßen Weltmalwerk der allgemeinen Schöpfung
(xioturu inuorovosruiau) nach Hebr. I, 2. 3, da der Schöpfer sein Malertuch so
weit ausgespanut, als der Himmel hoch und die Erde breit ist. Da spiegelt sich in
dem großen Gemälde der an den mannigfaltigsten Stein- und Pflanzenbildungen, wie
an den lieblichsten Landschaften so reichen, durch die verschiedenartigsten Kreaturen
belebten, am Tage von der Hellen Sonne und bei Nacht von den Windlichtern des
Mondes und der Sterne erleuchteten und durch den Frühling alljährlich erneuten
und verjüngten Natur nicht nur deS erhabnen Werkmeisters Majestät und Allmacht,
die Alles mit einem Worte ins Dasein gerufen, sowie seine Weisheit, die Alles nach
Zahl, Maß und Gewicht abgewogen, und seine alle Geschöpfe beglückende Güte,
sondern auch seine Wahrhaftigkeit und Treue, die Alles in der schönsten Ordnung
fort und fort bestehen läßt, während die schönsten menschlichen Kunstwerke, so hoch
man auch, wie an den Dürerschen und Cranachschen, den Bestand ihrer Farben
rühme, endlich doch gleich den Meistern selbst vergehen, so daß man oft wehmüthig
seufzt: daß doch die kunstreiche Hand stauben soll! Dennoch hat Kunst oft ganze
Städte vor Noch und Untergang bewahrt. So verschonte Demetrius, als er Rhodus
eingenommen, die Hauptstadt der Insel, die er erst den Flammen übergeben wollte,
um eines einzigen in ihr befindlichen kunstreichen Bildes willen. So besteht die
Welt, weil das allerliebste Ebenbild Gottes mitten in ihr, in der Stadt Gottes, ist.
Darum halt im Gedächtniß Jesum Christum rc. re. Derselbe wird uns aber auch
vor die Augen gemalt
2. im wunderkleinen Weltmalwerk der Menschenschöpfuug
(püoturu miorooosiuiou) als in der Quintessenz und Blüthe der ganzen Erd-
schöpfung. Wie oft ein Kunstmaler mit sich zu Rathe geht und allen Fleiß auf-
bietet, ein umfangreiches Werk, das er erst gefertigt, zu größerem Nutzen in die
Enge, als etwa in den Raum eines Fingerrings, zu bringen, so ging auch der all-
mächtige Kunstmeister, als das große Weltgebäude vollbracht war, mit feinem himm-
lischen Vater und mit dem heiligen Geiste zu Rathe, das, was in der Welt groß
und weitläuftig ist, in das kleine Wunderbild des Menschen einzutragen. So ist der
Mensch, diese kleine Welt, nicht nur ein Bild der großen Welt, sondern auch ein
Bild Gottes, ihm ähnlich, zwar nicht so wie das selbstständige Ebenbild seines lieben