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unbedingt festgehalten zu werden. Die Oeffnung des Mundes erscheint als etwas
ganz Naturgemäßes bei Menschen, die durch heftige Anstrengung außer Athem ge-
kommen sind. Bei Laokoon speciell erklärt das stattgefundene Ringen die mäßige
Oeffnung des Mundes zur Genüge.
Uebrigens ist Laokoon samt seinen Söhnen noch unverwundet; die eine
Schlange ist zwar im Begriff zu beißen, hat aber noch nicht gebissen, ein Umstand,
der für die Beurtheilung der Gruppe von höchster Wichtigkeit ist. Das körperliche
Leiden der drei Personen steht noch in gar keinem Verhältnisse zu der ungeheuren
Angst, die sie empfinden müssen. Die höchste Angst aber schnürt die Kehle zu, so
daß wir auch von diesem Standpunkte aus zu dem Resultate gelangen, daß Laokoon
stumm zu denken sei.
Wir kommen jetzt zur Frage nach den Beweggründen, die den Künstler bei
der Wahl des Momentes geleitet haben. Lessing sagt darüber: „Alle Erscheinungen,
zu deren Wesen wir es nach unfern Begriffen rechnen, daß sie plötzlich ausbrechen
und plötzlich verschwinden, daß sie das, was sie sind, nur einen Augenblick sein
können; alle solche Erscheinungen, sie mögen angenehm oder schrecklich sein, erhalten
durch die Verlängerung der Kunst ein so widernatürliches Ansehen, daß mit jeder
wiederholten Erblickung der Eindruck schwächer wird, und uns endlich vor dem
ganzen Gegenstände ekelt oder graut." Man wird diesem Satze nur in sehr be-
dingter Weise zustimmen können. Mit dem Bilde von La Mettrie, das zur Er-
läuterung angeführt, verhält es sich gewiß so, wie Lessing sagt; aber ebenso gewiß
ist es, daß der Eindruck des Lachens ein ganz anderer wird, sobald dieses nur ge-
nügend motivirt ist. Zeuxis malte einen Centauren, wie er mit einem jungen
Löwen, den er mit der rechten Hand emporhebt, seine Jungen zum Scherze erschrecken
will. „Er schaut," wie Lucian ausdrücklich hervorhebt, „lachend auf sie herab."
Hier sieht man den Grund des Lachens und kann ans diesem Grunde auch damit
sympathisiren. Unmotivirtes Lachen hingegen erscheint albern und wirkt abstoßend.
Es scheint aber auch zugleich stehend zu sein, da es an keine bestimmte Veranlassung
geknüpft ist, mit deren Beseitigung es von selbst'aushört. In dieser Form wendet
es die alte Kunst nur bei den Satyrn an, deren Charakter eine solche Darstellung
rechtfertigt. Ein Philosoph soll aber kein Satyr sein, und deshalb muß das Bild
von La Mettrie, welches Lessing erwähnt, geckenhaft erscheinen. Ebenso wird ein
einzelner Kopf mit zum Schreien geöffnetem Munde den Eindruck des unablässigen
Schreiens hervorbringen, nicht aber eine Darstellung, bei der zugleich die Veran-
lassung des Schmerzes deutlich erkennbar ist. Wäre in der Gruppe dargestellt,
daß die Schlange sich bereits fest in den Körper Laokoons hineingebissen hat, so
könnte derselbe immerhin schreien, ohne daß diese Aeußerung seines Leidens den
Eindruck des scheinbar Unablässigen machte und dadurch zu weibischem Unvermögen,
zu kindischer Unleidlichkeit würde. Wir sehen ja die Ursache des Schmerzes, ein
in der That unerträgliches Uebel, und finden es ganz natürlich, wenn die gequälte
Natur sich Luft zu machen sucht. Lessing läßt für die Poesie diesen natürlichen
Ausdruck des Schmerzes gelten, obwohl die Sprache Mittel hat, die ganze Furcht-
barkeit desselben auch in anderer Weise zu schildern. Und die bildende Kunst, die
den Schmerz nicht anders als durch Nachahmung seiner körperlichen Aeußerungen
wiedergeben kann, sollte darin beschränkter sein? Verräth das Schreien, wie Lessing
unbedingt festgehalten zu werden. Die Oeffnung des Mundes erscheint als etwas
ganz Naturgemäßes bei Menschen, die durch heftige Anstrengung außer Athem ge-
kommen sind. Bei Laokoon speciell erklärt das stattgefundene Ringen die mäßige
Oeffnung des Mundes zur Genüge.
Uebrigens ist Laokoon samt seinen Söhnen noch unverwundet; die eine
Schlange ist zwar im Begriff zu beißen, hat aber noch nicht gebissen, ein Umstand,
der für die Beurtheilung der Gruppe von höchster Wichtigkeit ist. Das körperliche
Leiden der drei Personen steht noch in gar keinem Verhältnisse zu der ungeheuren
Angst, die sie empfinden müssen. Die höchste Angst aber schnürt die Kehle zu, so
daß wir auch von diesem Standpunkte aus zu dem Resultate gelangen, daß Laokoon
stumm zu denken sei.
Wir kommen jetzt zur Frage nach den Beweggründen, die den Künstler bei
der Wahl des Momentes geleitet haben. Lessing sagt darüber: „Alle Erscheinungen,
zu deren Wesen wir es nach unfern Begriffen rechnen, daß sie plötzlich ausbrechen
und plötzlich verschwinden, daß sie das, was sie sind, nur einen Augenblick sein
können; alle solche Erscheinungen, sie mögen angenehm oder schrecklich sein, erhalten
durch die Verlängerung der Kunst ein so widernatürliches Ansehen, daß mit jeder
wiederholten Erblickung der Eindruck schwächer wird, und uns endlich vor dem
ganzen Gegenstände ekelt oder graut." Man wird diesem Satze nur in sehr be-
dingter Weise zustimmen können. Mit dem Bilde von La Mettrie, das zur Er-
läuterung angeführt, verhält es sich gewiß so, wie Lessing sagt; aber ebenso gewiß
ist es, daß der Eindruck des Lachens ein ganz anderer wird, sobald dieses nur ge-
nügend motivirt ist. Zeuxis malte einen Centauren, wie er mit einem jungen
Löwen, den er mit der rechten Hand emporhebt, seine Jungen zum Scherze erschrecken
will. „Er schaut," wie Lucian ausdrücklich hervorhebt, „lachend auf sie herab."
Hier sieht man den Grund des Lachens und kann ans diesem Grunde auch damit
sympathisiren. Unmotivirtes Lachen hingegen erscheint albern und wirkt abstoßend.
Es scheint aber auch zugleich stehend zu sein, da es an keine bestimmte Veranlassung
geknüpft ist, mit deren Beseitigung es von selbst'aushört. In dieser Form wendet
es die alte Kunst nur bei den Satyrn an, deren Charakter eine solche Darstellung
rechtfertigt. Ein Philosoph soll aber kein Satyr sein, und deshalb muß das Bild
von La Mettrie, welches Lessing erwähnt, geckenhaft erscheinen. Ebenso wird ein
einzelner Kopf mit zum Schreien geöffnetem Munde den Eindruck des unablässigen
Schreiens hervorbringen, nicht aber eine Darstellung, bei der zugleich die Veran-
lassung des Schmerzes deutlich erkennbar ist. Wäre in der Gruppe dargestellt,
daß die Schlange sich bereits fest in den Körper Laokoons hineingebissen hat, so
könnte derselbe immerhin schreien, ohne daß diese Aeußerung seines Leidens den
Eindruck des scheinbar Unablässigen machte und dadurch zu weibischem Unvermögen,
zu kindischer Unleidlichkeit würde. Wir sehen ja die Ursache des Schmerzes, ein
in der That unerträgliches Uebel, und finden es ganz natürlich, wenn die gequälte
Natur sich Luft zu machen sucht. Lessing läßt für die Poesie diesen natürlichen
Ausdruck des Schmerzes gelten, obwohl die Sprache Mittel hat, die ganze Furcht-
barkeit desselben auch in anderer Weise zu schildern. Und die bildende Kunst, die
den Schmerz nicht anders als durch Nachahmung seiner körperlichen Aeußerungen
wiedergeben kann, sollte darin beschränkter sein? Verräth das Schreien, wie Lessing