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terium, die Presbyteren im Halbkreise, den Bischof in der Mitte, ihre Plätze hatten
sprach dieser von seinem erhöhten Sitze, der Kathedra, zu dem Volke, während die
Verlesung der Perikopen durch den Diakon von dem Ambo oder den Ambonen aus
erfolgte (denn gewöhnlich hatten die Kirchen deren zwei, einen nördlichen für die
Verlesung des Evangeliums, einen südlichen für die Epistel). Diese erhöhetcn Lese-
pulte, zu denen nach Osten und Westen hin Stufen hinaufgingen, hatten eine poly-
gonische oder aus Kreissegmenten gebildete Brüstung. In Italien sind deren noch
in vielen Kirchen erhalten, der älteste aus dem 6. Jahrhundert im Dom zu Ravenna;
in Deutschland hat sich im Münster zu Aachen ein kostbarer Ambo erhalten, ein
Geschenk Heinrichs II., bestehend aus einem Kerne von Holz und mit vergoldeten
und durch Elfenbeiureliefs, Emails und Edelsteine verzierten Kupferplatten überzogen.
Diese Ambonen haben der Kanzel ihre Gestalt, ihre Stellung und selbst den
Namen gegeben: das Letztere, um es voraus wegzunehmen, weil die Ambonen an
den oder innerhalb der den Unterchor umschließenden Schranken (euuostli) standen.
Wenn schon in ältester Zeit in Behinderung des Bischofs der Diacon von dem
Epistel-Ambo eine Homilie las, so sanden es auch je länger je mehr die Bischöfe
practischer, statt von der weit von der Gemeinde entfernten bischöflichen Kathedra,
lieber von dem Ambo aus zu dem Volke zu sprechen. Es ist dies bereits von Chry-
sostomus und Augustinus nachgewiesen, erscheint aber noch in der Mitte des 4. Jahr-
hunderts als eine Neuerung und ist wohl erst zur Regel geworden, seit der Altar
in den Chor, der nun als Luuetnuriuin gilt, zurück gerückt wurde. Als in den
Stifts- und Klosterkirchen jene Querwand entstand, welche den Laien den Blick in
den Chor und auf den Hochaltar entzog, wofür als Ersatz ein Altar unter dem urous
triumpllnlis, Laienaltar, errichtet wurde, wurde der Ambo oder das Lectorium iu
diese bekanntlich sehr schön und reich ausgesührtc Zwischenwand hineingebaut oder
vielmehr auf derselben errichtet und gab dieser ganzen, den hierarchischen Geist der
Zeit wiederspiegelnden, Baulichkeit den Namen des Lectorium, corrumpirt Lettner?)
Für das 13. und 14. Jahrhundert ist das Bestehen dieser Lettner, und daß von
hier aus gepredigt wurde, für Deutschland nachgewiesen, und cs wird das aus der
Wand des Lettners hervortretende Lesepult ausdrücklich Kanzel genannt. Selb-
ständige Kanzeln gab es in Deutschland damals noch nicht, während sie in Italien
bereits Vorkommen. Die Förderung der vernachlässigten Predigt durch Jnnoceuz III.
und das Auftreten der Dominicaner oder Predigermönche mag dazu Veranlassung gegeben
haben: das Bedürfnis;, sich dem Volke verständlicher zu machen, die Hörer in den
weiten Kirchenräumen näher um den Prediger zu versammeln, führte dazu, sie in

Ein Mann, dem ich ungern widerspreche, weil ich nur von ihm zu lernen gewöhnt bin,
Otte, hat früher in diesen Blättern die Stellung der Kanzel über dem Altar, ohne sie um
deswillen als das allein Richtige hinstellen zu wollen, doch damit zu rechtfertigen gesucht, daß
ja das Lectorium auch oberhalb deö Laienaltarö gewesen sei. Als geschichtliches Analogon muß
man das gelten lassen; aber bas letzte Wort kann hier nicht die Archäologie reden, sondern dies
gebührt der evangelischen Liturgik. Nach ihren Grundsätzen muh cs als verwerflich erscheinen,
daß man durch Einschiebung des Lettners zwischen Schiff und Chor ein Allerheiligstcs schuf,
welches den profanen Blicken der Laien verschlossen blieb nud durch Errichtung des Laienaltars
im Gegensatz zum Hochaltar die Gemeinschaft des Altars aufhob. Mit dem Lettner und Laien-
altar wird aber auch der versuchte Beweis hinfällig.
 
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