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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 16.1874

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Nr. 9 (1. September 1874)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42367#0138
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gestellt ist, um es vor Erschütterungen möglichst zu bewahren. Das unterste Stock-
werk des Thurmes bildet die Vorhalle, die überwölbt ist und durch ein schönes,
mit gemalten Scheiben versehenes Oberlicht des Hauptportals beleuchtet wird. An
den Wänden derselben ist ein sinniger Schmuck angebracht, indem die Bildnisse
der Stifter des Kirchenvermögens in Basreliefs aus Cementguß daselbst befestigt
wurden; auch außerhalb dieser Vorhalle im Hauptportal ist ein Relief in Me-
daillonform eingesetzt, welches Or. M. Luthers bekannte fünfblätterige Rose darstellt.
Ueberraschend ist der Eindruck, den wir empfangen, wenn wir aus der Vor-
halle in das Mittelschiff der Kirche treten, wo die kühnen Vogen und Gewölbe
von acht schlanken Pfeilern getragen werden; die Gurtbogen und Gewölbepfeiler
sind als Ziegelrohbau und die Rippen über dem Altarplatz als Sandstein belassen,
während die Gewölbeflächen, von Hohlsteinen ausgeführt, einen Kalkmörtelputz er-
hielten und mit Malereien dekorirt wurden, wodurch nicht allein schöne Formen,
sondern auch angenehme Farbenzusammenstellungen entstanden sind. Im unteren
Kirchenraume finden circa 700 und auf den Emporen circa 400 Personen bequeme
Sitzplätze, so das; die Kirche zusammen ä 400 Personen fassen kann, abgesehen von
den noch vorhandenen zahlreichen Stehplätzen. Auf der Empore über dem west-
lichen Haupteingange in ziemlicher Höhe hat die Orgel ihre Aufstellung gefunden;
sie ist von Kreuzbach in Borna erbaut und von einem reich geschnitzten Gehäuse
umgeben.
Indem wir das Kirchhaus durchschreiten, gelangen wir zum Chor oder Altar-
platz, welcher um vier Stufen über dem Kirchen-Fußboden erhöht ist; Hierselbst
bilden die sieben Glasgemälde der Chorfenster einen Schmuck, wie ihn wohl nur
wenige Kirchen aufzuwcisen haben. Jedes dieser Fenster enthält in überlebensgroßer
Figur auf reichem Teppichmuster und krönender goldiger Architektur je eine Gestalt,
ncmlich des Heilands, der Apostel Petrus und Paulus, sonne der vier Evangelisten.
Sie sind nach Art der mittelalterlichen Glasmalereien gefertigt und auf sehr starkem
Kathedralglas ausgeführt worden in der Werkstätte des Herrn A. Schulze in
Leipzig nach den Cartons des Herrn Professors Nieper ebendaselbst. Diese Fenster-
gemälde sind die erste derartige Schöpfung in hiesiger Gegend und in der That
aller Beachtung werth. Altar und Taufstein sind aus feinem Sandstein sauber
gearbeitet; das Kreuz auf dem Altar ist von Eichenholz und der Körper Christi
von Lindenholz geschnitzt; diese Gegenstände, sowie die reich und kunstvoll gearbeitete
Kanzel, sind aus der Werkstäite des Herrn Bildhauers R. Martin in Leipzig
hervorgegangen.
Der südliche kleine Anbau neben dem Altarplatz ist die Sacristei des Geist-
lichen, auch hier sind in den drei Fenstern Glasgemälde, sogen. Grisaillen ange-
bracht, ebenfalls auch in der an der Nordseite liegenden Taufkapelle. Beide Räume
stehen mit dem Altarplatz in direkter Verbindung, haben aber auch von außen
separate Eingänge, sie sind jedoch nicht wie die übrigen Kirchenräume überwölbt,
sondern haben eine geschnitzte Balkendecke und sind außerdem durch besondre Oefen
heizbar zu machen.
Die vor dem westlichen Giebel zu beiden Seiten des Thurmes angebauten
Treppenhäuser, die ebenfalls mit besonderen Eingängen versehen sind, vermitteln
 
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