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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 20.1878

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Nr. 10 (1. Oktober 1878)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42371#0150
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nusspreche. Zur Klarlegung der ganzen Sache muß ich Folgendes erwähnen: Im
Februar vorigen Jahres schrieb mir der verewigte v. Gcüneisen, daß es ihm gelungeu
sei, einen Artikel über v. Gebhardt zu erhalten, und daß eine Abbildung einer
Kreuzigung in unser Blatt kommen würde. Nach dieser Nachricht theilte ich Herrn
v. Grüneisen meine Anschauungen über die betreffende Kunstrichtung mit, und
bezeichnete den Standpunkt, von welchem aus ich eine Besprechung für gerechtfertigt
halten würde.
Die Stelle meines Briefes lautet, wie folgt:
„Sie erwähnen, hochverehrter Freund, in Ihrem letzten Briefe, daß Sie
einen Bericht über v. Gebhardt's neuestes Werk zum Abdruck erhalten Hütten.
Das betreffende Werk kenne ich nicht, habe auch keine Ahnung, wie der Artikel
gehalten sein mag, muß aber doch hiebei Gelegenheit nehmen, mich über die
Kunstrichtung des Herrn von Gebhardt auszusprechen. Das Abendmahl und die
Kreuzigung v. Gebhardt's, wie eine Reihe von unbedeutenden Compositionen,
die er hier einmal ausgestellt hatte, kenne ich. Beim Abendmahl erscheinen die
versammelten Jünger mit charaktervollen Köpfen, welche aber leider ihren Ur-
sprung in den allergewöhnlichsten Modellköpfen nur zu sehr verrathen. Judas
dagegen macht in etwas vornehmerer Haltung den Eindruck des reichen Gast-
gebers, und der Erlöser den eines schmachtenden kranken Mannes. In Gebhardt's
Kreuzigung ist der an's Kreuz geschlagene Erlöser als abschreckendes Beispiel
eines gemeinen Verbrechers gegeben, der natürlich auf seine nächste Umgebung
die übertriebene Leidenschaftlichkeit hervorruft. Herr v. Gebhardt steht eben in-
mitten der modernen Zeitrichtung, die in sensationeller Form, mit niedrigen,
aber charakteristischen Mitteln dem Hange der großen Massen folgt und sie an-
zieht. Das Ideale, Reale ist ja jetzt verpönt, und die schmutzige Materie die
erwünschte Speise. Ter Tod des Erlösers, die Versenkung in sein Leiden, der
Trost, der aus diesem Leideu geboren wird, der Gott, der Held, der auch am
Kreuze noch Gott bleibt, soll nicht dargestellt werden; sondern der gewöhnliche
Mensch, der den Lohn der Misserhat trägt. Der Glaube wird über Bord ge-
worfen, und man freut sich, wenn auch in der Kunst diese Gesinnung einen
Ausdruck findet. — Doch Sie kennen ja die Wirkungen des Materialismus
und seine tödtende Gewalt über alle Lebenskeime, über alle dauernde Schönheit
und Wahrheit, seine lähmende Gewalt über alle noch zum Fluge fähigen-Seelen,
so daß ich mit diesen wenigen Worten schließen kann. Sollten also die mir
bekannten Werke v. Gebhardt's in unserem Blatte besprochen werden, so würde
es nur iu der Weise sein können, daß sie als ein trauriges Zeichen unserer
kranken Zeit Erwähnung finden, der so kranken Richtung, die in eine allge-
meine Versumpfung auslüuft. — Da mein Name die Ehre hat mit aus dem
Titel des Kunstblattes zu stehen, so würde ich nach Pflicht nnd Gewissen auch
nur eine Besprechung, wie ich eben angedeutet, mitverantworten können. Das
christliche Kunstblatt gehört ja, Gott sei Dank, zu den wenigen Kämpfern, die
den Muth haben, für Wahrheit und Schönheit in der langerprobten Gestalt,
für den Bari des Reiches Gottes und der Kunst einzutreten, und alles abzu-
 
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