Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
18

Aussteller der sinnverwirrenden, berauschenden Schönheit, nicht ein Priester
wahrer, die Seele befreiender, den Geist erhebender, das Volk innerlich bil-
dender Kunst. Dieser hochbegabte, auf falschen Bahnen durch seine Farben-
und fleischesgeilen Bewunderer gebannte Maler hat noch dazu in jenen: großen
Gemälde eine „unglaublich schlechte Compositiou", wie Bruno Meyer sie nennt,
geliefert.
Merkwürdig nun aber. Wahrend ganz Frankreich sich zusammenrafft, uni
nut aller Thatkraft sich von seinen Unglücksfällen, den Folger: eines ungeheuer::
politische:: und sittlichen Schwindels zu erholen und wieder als das erste
Volk der Welt sich dnrzustellen in seinen geistigen und leiblichen Hilfsquellen,
in seinem Kredit und in seiner Gewerbsamkeit, hat die französische Malerei
ihre wunderbar geübte und fähige Hand der innerlich halt- und bodenlosesten
Fleischlichkeit und rohen Sinnlichkeit geliehen zu Darstelluugeu, welche an dem
sittlichen Geiste ihrer Zeit uns verzweifeln lassen könnten. Dagegen hat Deutsch-
land aus seinen: Schwindel und Krach, aus der offenbaren sittlichen Verwil-
derung des gebildeten und ungebildeten Volkes, aus den: allverbreiteten Götzen-
dienst des Mammon und des Bauches, aus den: offen gepredigten „Leben ohne
Gott" heraus eine kleine Kunstausstellung nach Paris geliefert, welche nach
ihrer äußern Anordnung wie nach ihren: inner:: Gehalte die Bewunderung,
vielleicht auch deu Neid der Frauzofen selbst erweckt hat. Es ist doch nur eine
Stimme, daß die deutsche Ausstelluug, nllerdiugs nicht in: Gebiete der großen
historischen Malerei, sondern in der Landschaft und in: kleinern Rahmen des
Sitten- und Charakterbildes eine Vielseitigkeit und Reichhaltigkeit, eine Gemäch-
lichkeit, einen Humor, eine ungesuchte Wahrheit ohne Effekthascherei geoffenbart
hat, wie man sie nirgends in der glänzenden französischen Ausstellung gefunden
hat. Ja, es hat sich auch allermeist eiue Gediegenheit des Machwerks gezeigt,
welche neben der französischen Handfertigkeit sich auch wohl sehen lassen konnte.
Ist die französische Kunst noch gefangen in den: Materialismus des zweiten
Kaiserreichs und wird die Selbstzucht, welche die Republik sich seit den: Kriege
auferlegt, auch iu der Kunst zu inhaltvoller sittlicher Gediegenheit durchschlagen?
Und ist der gediegene Gehalt, den die deutsche Kunst in Paris gezeigt hat,
etwa nur ein Rest noch des besseren Sinnes vor der Sündflut dieser gottver-
gessenen und daher gottverlassenen Schwindelzeit, welche auf das Fleisch säend
von: Fleische das Verderben ärnten mußte?
Wir wollen, wir müssen hoffen, daß der Umschwung, der in Folge dieses
offenbar gewordenen Verderbens in der Gesinnung und im Willen der deutschen
Völker, Volksvertretungen und Regierungen sich neuerdings zeigt, sich wohl
vollziehe in der Art, daß das noch in unseren: Volke vorhandene Gute gerettet
uud gefördert werde durch entschlossenes, uachhaltiges Abschueiden des Bösen
nicht blos, ffondern auch durch entschiedeues Ergreifen der rettenden Hand Dessen,
der gekommen ist, das Verlorene zu suchen und welcher, wie Er von: Tod er-
standen ist, auch für uud für vom Tod zum Leben führen kann. Daß un-
nüttelbar uud bald eine Auferstehung der religiösen, der sonderlich christlichen
Kunst nut zur Aufrichtung des deutschen Volksgeistes verhelfe, ist nicht zu hoffen.
 
Annotationen