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noch sein Haus- und Hand-Exemplar der im September 1522 erschienenen
Übersetzung des Neuen Testaments durch Luther vorhanden mit eigenhändigen
Anmerkungen des frommen Schuhmachers und Poeten. Wäre Dürer's Hand-
Exemplar nicht verloren, es würde sicherlich zeigen, wie er mit wo möglich
noch größerem Ernst und Fleiß darin geforscht.
In der Karwoche 1523 wurden die beiden Pröbste an St. Lorenz und Sebald
von ihren Gemeinden beweglich gebeten, das h. Abendmahl in beiderlei Gestalt
zu reichen. Der Augustinerprior spendete es zuerst seinen Mönchen lind vielen
Bürgern unverwehrt. Noch duldete aber der Rath die Mönche, welche ihr
Kloster verließen und heirateten, nicht in der gührungsvollen Stadt. Im
Jahre 1524 hielt während des Reichstags und fast vor den Ohren des päpst-
lichen Legaten Campeggi der geistvolle Andr. Osiander eine tapfere Predigt
über den in Rom regierenden Antichrist. In der Karwoche ward bei St. Sebald
und Lorenz die Messe abgeschasft, deutsch gesuugen und der Kelch ausgetheilt
an mehrere Tausende. Selbst die Gemahlin des Königs von Dänemark ließ
sammt dreißig bis vierzig Hofleuten des Königs Ferdinand sich durch Osiander
dell Laienkelch reichen. Sofort wurde die Frollleichnanlsprocessioll eingestellt.
Im Grunde konnte Nürnberg im Sommer 1524 schon als lutherisch gelten.
Während aber Rath und Geistlichkeit sich anschickte, den letzten Widerstand der
Altglünbigen zn brechen, brach voll anßen neues uud fast noch größeres Ver-
derben durch den Satan herein, welcher wieder einmal seine Kapelle neben die
Kirche bauen mußte. Es war „der Satan von Allstedt", wie Ur. Luther den
Ur. Thomas Münzer nannte, welcher in der bedeutendsten Stadt des damaligeil
Deutschlands Zündstoff genug für seine „feurigen Pfeile" fand und ganz be-
fonders in den Mach- und fchriftgelehrtesten Mann Nürnbergs fuhr.
Das war Johanu Denk, gebürtig aus der Oberpfalz, ein Schüler
Oekolampads in Basel, voll Pirkheimer empfohlen, um 1523 zum Rektor der
Gelehrtenfchule bei St. Sebald berufen. Die Mystik des Wittenberger Professors
Karlstadt, die widerkirchlichen Lehren Münzer's fanden in den: bohrenden Ver-
stände und träumerischen Wesen Denk's einen nahen Verwandten, der mit
großer Demüthigkeit den brennenden Ehrgeiz eines Sektenführers verband.
Münzer, als er wegen der voll ihm erregten Ullrichen aus Mühlhausen ab-
ziehen mußte, begab sich im September 1524 uach Nürnberg, um Genossen des
Umsturzes zu werben und seine „Schutzrede wider das geistlose, sauftlebende
Fleisch zu Wittenberg, welches dnrch den Diebstahl der h. Schrift die erbärm-
liche Christenheit also ganz jämmerlich besudelt hat" herauszugeben. Er suchte
nur üil Geheimen zu wühleu, eutwich aber, als der Rath auf fein Treiben
aufmerksam geworden war, nach Ober-Deutfchland und half im Klettgau den
Bauernkrieg entzünden. An feiner Statt kam im Oktober Heinrich Pfeiffer,
genannt Schwertfisch, ein entlaufener Mönch, der mit Münzer in Mühlhausen
zusammen gewirkt hatte, ließ Münzer's Schriften drucken und gewann durch
Predigteil und Streitreden viel Anhang. Mit ihm Hatteil besonders die drei
socialdemokratifchen Maler Sebald und Barthel Behmn lind Georg Pencz Ge-
meinschaft und voll diesem „Anhänger und Schüler des Propheten Ur. Münzer",
 
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