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anderen Zwecken*') dienen mußte, so wurde auch früh genug schon über die Arm-
seligkeit desselben geklagt nnd dieser Klage weder durch eine Reparatur im
Jahre 1806, noch durch eine im Jahr 1827 vorgenommene Erweiterung der
Kirche genügend abgeholfen. Der Bau ist bis auf den heutigen Tag ohne jeden
kirchlichen Charakter, sogar ohne Thurm und Glocken geblieben. Ueberdies ist
er für die darin eingerichteten 760 Sitzplatze und für die wachsende Gemeinde
viel zu klein geworden, und so wurde das Gefühl von der Unwürdigkeit und
Unzulänglichkeit dieses Gotteshauses, immer lebhafter, drückender und allgemeiner.
Die kirchlichen Vertreter der Garnisongemeinde arbeiteten darum auch vom
Jahr 1856 stetig auf Erlangung einer neuen Kirche hin und verliehen in einer
Reihe von Eingaben 18 Jahre hindurch dem Bedürfniß seinen Ausdruck. Allein
lange stellten sich den Wünschen immer neue Hindernisse entgegen, bis der König
im Jahr 1873 eine Vorlage an die Stände befahl. Die Kriegsverwaltuug
brachte an dieselbe eine Forderung von 400000 Gulden (— 685 7k0 Mark) und
im Juni 1874 bewilligte die Kammer der Abgeordneten mit großer Stimmenmehr-
heit die verlangte Bausumme aus den französischen Kriegsentschädigungsgeldern.
Als Bauplatz wurde das ungefähr gleichweit von der Infanterie- und Reiter-
kaserne entfernte Straßengevierte, zwischen Kriegsberg- und Lindenstraße einer-
seits und Alleen- und Militärstraße andrerseits, ersehen. Im April 1875 wurde
mit dem Abbruch der dort stehenden alten Häuser, (ehemalige Militärstrafanstalt,
später Montirungsverwaltung) begonnen, im Juni geschah der erste Spatenstich
und am 2. November desselben Jahres konnte die feierliche Grundsteinlegung
stattfinden. **)
Der Bau ist nun in der Zeit von vier Jahren ausgeführt worden nach den
Planen und unter der Leitung des Professors der Baukunst am Stuttgarter Polytech-
nikum, Konrad Dollinger aus Biberach, von welchem das einfach schöne Kirchlein
der Waldensergemeinde Klein-Villars, (abgebildet im Kunstblatt 1874 S. 9)
erbaut und der Entwurf zu der höchst gelungenen Restauration des Tübinger
Nathhauses gemacht ist. Die Stadt Stuttgart ist dadurch um eine hervorragende
Zierde bereichert, und die hiesige Militärgemeinde, welche so lange Zeit mit der
unsäglich geringen Räumlichkeit und Ausstattung der bisherigen „Kirche" vor-
lieb nehmen mußte, darf mit Freude und Stolz auf ihre neue Kirche blicken.
Aus den französischen Kriegskostenentschädigungsgeldern bestritten steht der Bau
uns und fernen Geschlechtern da, wie die Urkunde im Grundstein sagt, als „Zeu-
gin einer großen, folgenreichen Zeit, als Denkmal des Dankes gegen Gott für
seine wundervolle Hilfe im Krieg, als Stätte christlicher Erbauung für den würt-
tembergischen Krieger."
Am Trinitatisfestgottesdienst nahm die Militärgemeinde Abschied von der
ehemaligen Kirche, welche aber durch fünf treue und ausgezeichnete Seelsorger
»') 1796 wurden die gefangenen Oesterreicher in die „Kirche" einqnarüert, 1805 wurde
sie Magazin für das Armeekorps des Marschall Ney; von 1806 bis 1811 wurde sie deu
Katholiken eingeräumt; am Christabend 1812 wnrde sie (bis zum Frühjahr 1816) zum Mon
tirungsmagaziu bestimmt.
Bis hieher Auszug aus der Stiftuugsurkuude im Grundstein.
 
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