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und Prediger in den 103 Jahren ihres Gebrauchs „eine Stätte des Segens ge-
worden ist und darum auch der Gemeinde trotz ihrer Unscheinbarkeit eine liebe
Stätte, gerade durch ihren engen Raum um so traulicher, und darum nur un-
gern, aus Roth und nicht ans Verachtung verlassen."
Am ersten Sonntag nach Trinitatis wurde die neue, prächtig mit ihren
sieben Thürmen im schönsten Glanz der Junisonne strahlende Kirche in An-
wesenheit der königlichen Majestäten feierlich eiugeweiht durch den Feldprobst
Prälat Or. v. Muller, der nun ans jahrelange Kämpfe und Sorgen und Mü-
hen und Opfer für das Zustandekommen dieses Gotteshauses fiegessroh und dank-
bar zurückblicken konnte.
Die Garnisonkirche hat im Grundriß die Form eines Kreuzes und ist im
Rundbogenstil, wie er sich in den rheinischen Bauten des 12. Jahrhunderts so
anmuthig darstellt, aus rothem und gelbem Backstein erbaut. Nur der Sockel,
die Gesimse, Fenster- und Thüreinfassnngen bestehen ans gelb-gran-grünlichtem
Kenpersandstein. Zn bedauern freilich ist, daß angesichts der schönsten Keuper-
brüche, welche, beneidenswerth für alle andern deutschen Residenzstädte, Stuttgart
rings umgeben, aus Sparsamkeitsgründen Backsteinbau gewählt wurde, so schön
er auch mit dem warmen Tone und in der Abwechslung von rothen und gelben
Streifen in die Augen leuchtet. Für den reichen Ausbau des mächtigen Kuppel-
thurms, seiner vier Flankenthürmchen und der zwei Faoadenthürme erscheint
wohl der Körper der Kirche etwas kurz und eine etwas größere Längenentwick-
lung würde dem Ganzen zu statten kommen. Aber nm der künftigen Umgebung
willen — es wird das neue Realgymnasium in großer Nähe erbaut — ist das
emporsteigende Element vom Baumeister mit richtigem Blick und hohem Geschick
betont, und die siebenthürmige Kirche gewährt einen ebenso bedeutenden als male-
rischen Anblick. Gleich erhebend ist der Eindruck des Innern, durch seine Höhe
sowohl als durch die sinnreiche und zweckmäßige Raumvertheilung, welche jedes
Gefühl der Beengung ausschließt. Nur wird die Wirkung, welche die Kuppel
für das Auge hat, wieder ausgewogen für die Gemeinde durch die dadurch et-
was geminderte Hörsamkeit namentlich der vom Altar ans gesprochenen Rede.
Großartig wirken auch die hohen, schöngesormten Ringsäulen, welche die Tonnen-
gewölbe der ganz schmalen Seitenschiffe tragen. Im übrigen ist der Schmuck
sehr einfach und manches Auge wird sich erst an die nackten, unverzierten, nur
roth und gelb geschichteten und gemusterten Backsteinwände und Gewölbe ge-
wöhnen müssen.
Die Emporenbrüstungen sind hübsch in kleinen Bögen aus Haustein durch-
brochen. Der Fußboden besteht ans zweifarbigen, viereckigen Steinplättchen ans
Saargemünd. Lieber freilich sähen wir mit gemalten oder geformten Fließen,
nach dem Vorbilde des Mittelalters alle neuen Kirchen gepflastert. Die Fenster,
welche nur nut rautenförmigem, abgetöntem Kathedralglas und farbigen Rand-
streifen, theilweise auch nur mit gewöhnlichem weißem und flaschengrünem Glase
ausgesetzt sind, erwarten von der Zukunft einen ihrer architektonischen Form
würdigen Schmuck vom Glasmaler. Das Mittelfenster des Chors aber, wel-
ches durch hochherzige Stiftung ein Prächtiges Glasgemälde nach den Ent-
 
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