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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 21.1879

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Nr. 10 (1. Oktober 1879)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42372#0158
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Stütze für das ganze Hochwerk hin brauche, daß ein starker steinerner Bogen
an den einzelnen einer Stütze gegen den Seitenschnb bedürftigen Stellen des
Hochwerks es auch vollständig thue, war doch ein Erfinder. Und wenn wir
nns in seinen Geist hineindenken, so scheint es doch minder natürlich zn sein,
er habe gedacht, ich lasse vom Halbtonnengewölbe nur das nothwendige Stück
stehen und breche die unnöthigen Zwischenstrecken ans, als daß, wenn das
Halbtonnengewölbe nnnöthig erschien, der Gedanke des Strebebogens aufblitzte
als vollkommen zureichender Stütze, der Strebebogen also nicht blos ein Rest
des sich selbst auflösenden Halbtonnengewölbes, sondern ein neu und frei in der
Phantasie eines baumeisterlichen Columbus am Hochwerk aufsteigender Bautheil.
Nun hat die genannte Kirche zu Clermont-Ferrand eine hohe Kuppel über
der Bierung, welche von Ost und West her durch das Tonnengewölbe des Chors
und des Langhauses, von Süd und Nord her durch die Halbtonnengewölbe ge-
stützt wird, welche von den kürzeren Feldern der beiden Querschiffarme empor-
steigen. Mit großem Scharfsinn findet nun I)r. Graf, daß gerade diese Stützung
der Kuppel erste Aufgabe und erster Gedanke des Baumeisters gewesen, und
darauf, ja daraus erst der Gedanke einer Stützung des ursprünglich nicht so
hoch angelegten Mittelschiffs durch Halbtonuengewölbe über den Seitenschiffen
erfolgt sei. Die Möglichkeit dieses Vorgangs kann wohl zugegeben werden.
Aber kann nicht ebensowohl die Absicht, das Mittelschiff stimmt Kuppel höher zu
machen, als ursprünglich geplant war, auf den Gedanken der Halbtonnenwölbung
über den Seiten- und demgemäß auch über dem Querschiff geführt haben?
So anziehend es ist, dem Verfasser weiser zu folgen in Aufweisung von Vor-
gängen für die Wölbungstechnik der auverguatischen Kirchen in der nahen
Provence, — namentlich an der kleinen Grabkirche St. Croix des Klosters
Mont-Majour bei Arles, deren vierseitige Kuppel noch von vier Halbkuppeln
getragen wird in Weise der Soficnkirche in Konstantinopel, — so müssen wir
doch unsere Leser auf das Buch selbst verweisen, welches schließlich S. 39 und
40 die vier Hauptmomente der betreffenden Entwicklung 1) irr den Rundbauten
des alten Rom, wie Pantheon und Minerva ineäiou; 2) in der byzantinischen
Halbkuppel, 3) in der Auflösung (?) der Halbkuppel in das Halbtounengewölbe,
und 4) in der Auflösung (?1 des Halbtonnengewölbes unter Einwirkung des
nur an einzelnen Punkten des Mittelschiffes eine Stütze fordernden Kreuz-
gewölbes in die gesonderten Strebebogenstützen ausstellt.
Die Entstehung der kreuzförmigen Basilika ist der Gegenstand
der zweiten Abtheilung unserer Schrift. Es handelt sich um die Ermittlung,
wie aus den überlieferten alten Formen eine neue organische Form entstand
und diese zuerst im Planschema Gestalt gewann. Wann, wo und wie ist
die Durch schnei düng der Basilika von einem Qu er raum ent-
standen? Beruht sie auf einer symbolisch-rituellen Sitte und Satzung, d. h.
hat das christliche Symbol des Kreuzes ursprünglich zur Auwenduug der
Kreuzform im Grundplau der christlichen Kirche geführt, oder beruht sie lediglich
auf einem architektonischen Vorgang, so daß der christliche Kreuzgedanke
erst n a ch trägli ch hineingeheimnißt und zur ausdrücklichen Bauregel des Mittel-
 
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