Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
155

alters gemacht worden ist? Herr Graf will letzteres darthun. Er weist wiederum
Gallien als den Boden nach, wo italische und oströmische Einflüsse und
Elemente sich zu einem Neuen verbunden haben. Als Ausgangspunkt der Ent-
wicklung faßt er die nach Art der altrömischen Grabmouumente im Jahr
558 kreuzförmig gebaute Gruftkirche des Frankenkönigs Childebert in Paris,
welche auch dem Mailänder Märtyrer Nazarius geweiht, wohl auch geformt
war wie die von Ambrosius nach dem Vorbilde der Apostelkirche in Konstanti-
nopel kreuzförmig errichtete Mailänder Apostelkirche, worin die Reliquien des
h. Nazarius beigcsetzt waren. Demnächst zieht H. Graf in Betracht die dem
h. Medardus geweihte Gruftkirche des Klotar I. zu Soisfons aus der Mitte
des 6. Jahrhunderts. An jene schloß sich frühzeitig das Kloster St. Germain
des Pres an. Hier hätte sich die Erhebung der reinen Krenzform zur
Bedeutung eines typischen Bestandtheils klösterlicher Hauptkirchen voll-
zogen, wenn nachweisbar wäre, daß um 577 die Klosterkirche des h. Germanus
uuter Chilperich aus der reinen Kreuzform in die kreuzförmige Basilika um-
geb aut und als solche auch später durch Abt Morard (996 — 1014) nur
wiederhergestellt worden ist. Könnte H. Graf jenen Umbau streng beweisen, so
ließe sich allerdings annehmen, daß von St. Germain des Pres ans die kreuz-
förmige Basilika zum Typus und zur Norm für die unter Mitwirkung der
neufirasischen Könige und der Großen des Pariser Hofes erbanten fränkischen
Klosterkirchen nach der vereinigten Regel des h. Kolumban nnd des h. Bene-
dikt geworden sei. Ganz besonderes Gewicht legt vr. Graf für seine Annahme
auf die 1n8tar cnmam (655) gebaute Hauptkirche des wichtigen Klosters Geme-
ticum bei Rouen, von wo der dahin verbannte Abt Sturm ohne Zweifel 756
das Muster für seine doppelchörige, kreuzförmige Basilika in Fulda mitgebracht
hat. Nicht minder wichtig erscheint die Salvatorkirche des Klosters Centula,
welche Karl der Große 793—814, wie H. Graf scharfsinnig nachzuweisen ver-
sucht, ebenfalls als kreuzförmige Basilika errichtet hat in Weise der 20 Jahre
später erstandenen Hauptkirche des Klosters St. Gallen. Bereits im Kloster
Centula hatte die Kirche auch einen Doppelchor, und Hr. Gras sieht den Ursprung
dieser Anordnung in der Kreuzform des Childebert'schen Baues. In der Auf-
stellung des Altars von vier Heiligen im westlichen Kreuzarm jenes Baues sieht
Hr. Graf zugleich das Vorbild für die spätere Ausgestaltung einer westlichen
Queranlage. Auch die Entstehung der geraden Chorabschlüsse, die wir ans dem
Moritzberge bei Hildesheim und zu Limburg an der Hardt ziemlich lange vor
Gründung des Cisterzienserordens finden, bei welchem jene Chorabschlüsse Regel
wurden, führt Hr. Graf schließlich aus die ursprünglich reine Kreuzsorm der
Vincentius-Basilika Chilperichs zurück.
Diese Fragen bedürfen nun freilich noch mancher gelehrter Erörterungen.
Damit, daß er sie in seiner und gründlicher Weise angeregt, hat sich Hr. Graf
ein entschiedenes Verdienst erworben.
 
Annotationen