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in der dortigen Ägidienkirche. Die mit Kreuz und Dornenkranz bekrönte
Umrahmung ist von Professor Steindorsf an der Kunstschule daselbst in edelstem
Renaissance-Stil entworfen. Sie zeigt rechts und links in der Mitte das A und
O, oben das Christogramm, im Aufsatz oberhalb der sternbesäten Muschel zwei
Palmzweige und einen geflügelten Engelkopf, um das Lilienkreuz, das den Aufsatz
krönt, eine Dornenkrone, und neben seinem Fuße rechts und links Ranken der
weißen Rose. Wir geben hier die geometrische Darstellung des Altars und des
Altaraufsatzes, in welchem zum Zweck der Nachbildung H. Krämer das Bild in
schwarzer Strichmanier genau eingezeichnet hat. Der auf einem Steine lagernde
Leichnam, den die am Boden liegende Schrift des Pilatus als iilsmm rsx cknäüorum
— König der Juden — bezeichnet, wird von Johannes aufrecht gehalten, während
die gebeugte Mutter nach dem Sohne krampfhaft den Arm ausstreckt, den die
hinter ihr stehende Freundin zurückzuhalten sucht. Ein trauernder Engelknabe
versinnlicht den Schmerz, den der Himmel mit der Erde über diesem Toten teilt.
Ein Reisebrief vom Obcrrhein.
Die „Wunder der Technik und Industrie" können wohl auch den Kunstfreund
zeitweise zu einer Ortsbewegung reizen, da zum Glück beide Gebiete heutigen
Tages nicht mehr zu trennen sind. Darum lasse er sich's unter Umständen nicht
verdrießen, gleich uns in den letzten Septembertagen, im kalten Reichseilwagen
morgens 4—8 von Donaueschingen nach Neustadt zu fahren und sich dann ver-
trauensvoll der neuen Gebirgsbahn zu übergeben. Er wird zu dieser Jahres-
zeit — wie schön muß es vollends im ersten Frühjahr sein, noch ganz anders
als im Kinzigthal! — aus einer Winterlandschaft durch die romantischeste Hölle
in ein liebliches irdisches Himmelreich in wenig mehr als einer Stunde sich ver-
setzt sehen. Die Gegend — wer kennt sie nicht von früheren Fußgängen? —
ganz herrlich; die Bahn, halb Rigi halb Gotthard, durch ihre Führung am
Felsenhang den schönsten Überblick gewährend; wieder ein ins Moderne über-
setzter alter Nömcrweg: cknIlomuAns — Turoännum — Urismens. Freiburg,
jetzt 45tausend Einwohner zählend, strebt rüstig vorwärts, in Wissenschaft, Kunst
und Industrie; wobei der natürliche Zuzug wohlhabender Fremder den Haupt-
anstoß giebt. Der fortlebende Name eines K. Metz weist auf die segensreichste
evangelische Liebesthätigkeit hin. Eine zweite evangelische Kirche ist unseres Wissens
gesichert. Die berühmt „saubere" Stadt dürfte vielleicht in manchen Innerlich-
keiten über romanisierende Sorglosigkeit — schon der Menschentypus hat viel
Südliches — sich erheben. Sagt man doch, daß der zweite schwere Krankheits-
fall, der eine verehrte und hochstehende Familie in den letzten Jahren getroffen,
dem Umbau des Schlosses zugeschrieben werde. Ewig jung bleibt der Münster
mit seiner genial einfachen schwarzwaldtannen- und — man möge lächeln —
schwarzwaldbergartig aufstrebenden Pyramide. Ihn können sie doch auch nicht
glanzend schokoladebraun anstreichen, wie das gegenüberliegende Kaufhaus. In
Basel jetzt schöne alte Nenaissancehäuser glänzend gelbbraun sind auch Siege des
nenmodernen Farbensinns! — Die Ausstellung des badischen und elsäßischen
in der dortigen Ägidienkirche. Die mit Kreuz und Dornenkranz bekrönte
Umrahmung ist von Professor Steindorsf an der Kunstschule daselbst in edelstem
Renaissance-Stil entworfen. Sie zeigt rechts und links in der Mitte das A und
O, oben das Christogramm, im Aufsatz oberhalb der sternbesäten Muschel zwei
Palmzweige und einen geflügelten Engelkopf, um das Lilienkreuz, das den Aufsatz
krönt, eine Dornenkrone, und neben seinem Fuße rechts und links Ranken der
weißen Rose. Wir geben hier die geometrische Darstellung des Altars und des
Altaraufsatzes, in welchem zum Zweck der Nachbildung H. Krämer das Bild in
schwarzer Strichmanier genau eingezeichnet hat. Der auf einem Steine lagernde
Leichnam, den die am Boden liegende Schrift des Pilatus als iilsmm rsx cknäüorum
— König der Juden — bezeichnet, wird von Johannes aufrecht gehalten, während
die gebeugte Mutter nach dem Sohne krampfhaft den Arm ausstreckt, den die
hinter ihr stehende Freundin zurückzuhalten sucht. Ein trauernder Engelknabe
versinnlicht den Schmerz, den der Himmel mit der Erde über diesem Toten teilt.
Ein Reisebrief vom Obcrrhein.
Die „Wunder der Technik und Industrie" können wohl auch den Kunstfreund
zeitweise zu einer Ortsbewegung reizen, da zum Glück beide Gebiete heutigen
Tages nicht mehr zu trennen sind. Darum lasse er sich's unter Umständen nicht
verdrießen, gleich uns in den letzten Septembertagen, im kalten Reichseilwagen
morgens 4—8 von Donaueschingen nach Neustadt zu fahren und sich dann ver-
trauensvoll der neuen Gebirgsbahn zu übergeben. Er wird zu dieser Jahres-
zeit — wie schön muß es vollends im ersten Frühjahr sein, noch ganz anders
als im Kinzigthal! — aus einer Winterlandschaft durch die romantischeste Hölle
in ein liebliches irdisches Himmelreich in wenig mehr als einer Stunde sich ver-
setzt sehen. Die Gegend — wer kennt sie nicht von früheren Fußgängen? —
ganz herrlich; die Bahn, halb Rigi halb Gotthard, durch ihre Führung am
Felsenhang den schönsten Überblick gewährend; wieder ein ins Moderne über-
setzter alter Nömcrweg: cknIlomuAns — Turoännum — Urismens. Freiburg,
jetzt 45tausend Einwohner zählend, strebt rüstig vorwärts, in Wissenschaft, Kunst
und Industrie; wobei der natürliche Zuzug wohlhabender Fremder den Haupt-
anstoß giebt. Der fortlebende Name eines K. Metz weist auf die segensreichste
evangelische Liebesthätigkeit hin. Eine zweite evangelische Kirche ist unseres Wissens
gesichert. Die berühmt „saubere" Stadt dürfte vielleicht in manchen Innerlich-
keiten über romanisierende Sorglosigkeit — schon der Menschentypus hat viel
Südliches — sich erheben. Sagt man doch, daß der zweite schwere Krankheits-
fall, der eine verehrte und hochstehende Familie in den letzten Jahren getroffen,
dem Umbau des Schlosses zugeschrieben werde. Ewig jung bleibt der Münster
mit seiner genial einfachen schwarzwaldtannen- und — man möge lächeln —
schwarzwaldbergartig aufstrebenden Pyramide. Ihn können sie doch auch nicht
glanzend schokoladebraun anstreichen, wie das gegenüberliegende Kaufhaus. In
Basel jetzt schöne alte Nenaissancehäuser glänzend gelbbraun sind auch Siege des
nenmodernen Farbensinns! — Die Ausstellung des badischen und elsäßischen