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warum gerade hier die Frage nach der zweckmäßigsten Gestaltung des evangelischen
Kirchengebäudes die jüngere Architektenschaft förmlich bewegen kann; durch sie bietet
es dem fremden Besucher eine Fülle von Anregung, die dadurch wesentlich vertieft
wurde, daß sich die berühmtesten Kirchenbaumeister Berlins, Geheimer Ober-
baurat Adler und Geheimer Baurat Orth an der Spitze, bereit finden ließen,
ihre Kirchenbauten den Besuchern selbst zu erläutern; hier endlich war die An-
wesenheit der höchsten Persönlichkeiten der preußischen Staats- und Kirchen-
verwaltung ermöglicht, von deren Entscheidung es wesentlich abhängen wird, ob
die Anregungen des Kongresses ein praktisches Ergebnis haben sollen. Vom übrigen
Deutschland war nur der kleinere Teil der Kirchenregierungen — Württemberg,
Sachsen, Hessen-Darmstadt, Mecklenburg, Hamburg, Bremen — vertreten. Die
meisten nehmen offenbar in dieser Frage eine zuwartende Haltung ein, nachdem, wie
aus der „Chrouik" unserer heutigen Nummer zu ersehen, die Eisenacher Konferenz
dieselbe aus ihre Tagesordnung gesetzt hat. Vollzählig vertreten waren die „christ-
lichen Kunstvereine", wie wir sie kurz nennen wollen, von Preußen, Sachsen, Bayern,
Württemberg und zwar je durch Theologen und Architekten, die in der praktischen
Arbeit christlicher Kirchenbaukunst stehend sich in solchem Dienst an den Gemeinden
zum Teil eine überaus reiche Erfahrung über das gesammelt haben, was diesen
mit ihren mannigfaltigen und so verschiedenen Bedürfnissen wahrhaft not thut.
Nur spärlich waren die Universitäten vertreten, und es zeigt sich, wie wir glauben,
darin ein wunder Punkt, auf den wir hiemit den Finger legen möchten. Es ist
ein Fehler, der sich schon schwer gerächt hat, daß die Dozenten der Kunst-
geschichte an unseren Universitäten sich des Heranwachsenden Theologengeschlechts
vielfach so wenig annehmen und doch thut jedem Geistlichen ein gewisses Maß
von kunstgeschichtlichem Wissen und Verständnis not, denn er ist so oft der be-
rufene Hüter wichtiger Kunstschätze unserer Vergangenheit, der berufene Berater
und Führer seiner Gemeinde in der Schmückung des Gotteshauses, in dem in
Stadt und Land vielfach allein der künstlerische Sinn des Volkes Pflege und
Förderung findet und wo andererseits die Kunst in den Dienst der höchsten Auf-
gaben tritt, die ihr überhaupt gestellt siud. Ebenso hätte man von den Dozenten
der praktischen Theologie an unseren Hochschulen eine viel zahlreichere Beteiligung
erwarten können. Die rechte Einrichtung, Instandhaltung und Schmückung
der Gotteshäuser ist ein wichtiger Punkt im praktischen Gemeindeleben; wie
man eine Hausfrau nach dem Aussehen der Wohnung beurteilt, so kann man
gar ost den kirchlichen Sinn einer Gemeinde aus dem Zustand ihres Gottes-
hauses erschließen. Dafür den Kandidaten des Predigtamts die rechten Gesichts-
punkte an die Hand zu geben, ist für die akademischen Lehrer eine ebenso wichtige
als dankbare Aufgabe. Wir erinnern auch daran, daß die Bestrebungen der
genannten christlichen Kunstvereine, die ans diesem Gebiete Geistlichen und Ge-
meinden beizustehen sich vorgenommen haben, wesentlich im Zusammenhang mit
der „inneren Mission" in der evangelischen Kirche Deutschlands entstanden sind,
also von Anfang wesentlich auf Weckung und Belebung evangelischen Gemeindesinns
abzweckten. — Unter den Teilnehmern am Kongresse selbst schlugen die Architekten
gegenüber den Theologen vor und unter ihnen selbst wieder die jüngere Schule, oft
 
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