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Vor allem wird darauf hinzuweisen sein, daß ein Kircheugebäude, welches
erneuert werden soll, und sei es noch so unansehnlich und klein, ein geschichtliches
Denkmal ist. Darin liegt zweierlei. Erstlich: die Form, in der es angelegt
und — wenigstens in den meisten Fällen — fertig gestellt worden ist, gehört
einem Zeitabschnitt der Kunstgeschichte an, der mit der ganzen Summe seiner
Denkmäler uns erst lehren muß, was es um seine Stilgattung Eigentümliches
gewesen sei. Und zum andern: je weiter die Entstehung eines Kirchengebäudes
in der Vergangenheit zurückliegt, desto mehr Gelegenheit war vorhanden, daß
das Gebäude allerlei Umformungen und Zugaben späteren Geschmacks nnd Bedürf-
nisses auf die Gegenwart gebracht hat. Die Baugeschichte eines Kirchengebäudes
kann der Kundige vielfach von den Steinen ablesen; aber die schriftliche Urkunde
muß, wenn eine solche da ist, doch vor allein gehört werden; und wer soll die
Baugeschichte eines Kirchenhauses erforschen, wenn es nicht vor allem der Pfarrer
thut? Sofort wird sich ihm dann das Bedürfnis aufdrängen, wenigstens die
Hauptmerkmale der einzelnen Stile unterscheiden zu lernen. Und wenn er bei
weiterem Nachdenken und Nachfragen findet, warum da und dort von früheren
Geschlechtern am ursprünglichen Bestand geändert worden ist, welche Bedürfnisse
dabei mitgesprochen haben mögen, welcher Sinn und Geschmack, ob eine herzliche
Kirchenfreude, die für den Schmuck des Gotteshauses etwas aufwenden wollte,
oder eine blasierte Nüchternheit, die Aufräumen für das billigste hielt; so wird er
für sein weiteres Vorgehen auf dem Wege der „Restauration" zunächst eines gelernt
haben, was nicht genug empfohlen werden kann, nämlich Vorsicht und Behutsamkeit.
Aber die Kirche soll ja schöner werden, als sie zur Zeit ist. Und wenn
nun das Schöne eines jeden Stils darin liegt, daß durch die in ihm liegenden
Ausdrucksmittel der Gedanke des Gebildes einfach und klar ausgesprochen wird,
muß dann nicht bei einer Erneuerung aus die Stilformen der Entstehungszeit
zurückgegrisfen und alles entfernt werden, was spätere Zeiten in anderen Stil-
formen, wenn auch in bester Absicht, hinzugethan haben? Zur Schönheit ge-
hört doch vor allem die Einheit; und ein Gemenge von Stilen läßt wenigstens
für ein gebildetes Auge keinen harmonischen Eindruck aufkommen. Gewiß! Aber
eben so gewiß ist, daß das Haus der Gemeinde in erster Linie nicht dazu da ist,
ein möglichst reines Beispiel irgend einer Kunstform zu sein; und ebenso gewiß
ist, daß der Lebende nicht allein Recht hat, sondern daß die Geschichte, durch
welche das Haus hindurchgegangen ist, und welche ein Stück des geschichtlichen
Lebens der Gemeinde ausmacht, auch ein Recht hat. Man hüte sich doch vor
Einseitigkeiten! Die Predigtsprache der Kirche ist ein durchaus modernes Gebilde,
während die Gemeinde in Bibel, Katechismus und Kirchenlied, in liturgischen
und musikalischen Formen eine Menge von Altertümlichkeiten verschiedener Zeit
erträgt und jedes Geschlecht sich daran gewöhnt. Warum soll also nicht auf dem
Gebiet der stummen Künste ein Nebeneinander von Früherem und Späterem er-
träglich sein? Auch hier fordert wie auf dem Gebiet des Sprachlichen und
Musikalischen die Pietät gegen frühere Auswirkungen des kirchlichen Lebens und
der Zusammenhang mit denselben eine Schonung und Bewahrung dessen, was
von ihnen überkommen ist.
Vor allem wird darauf hinzuweisen sein, daß ein Kircheugebäude, welches
erneuert werden soll, und sei es noch so unansehnlich und klein, ein geschichtliches
Denkmal ist. Darin liegt zweierlei. Erstlich: die Form, in der es angelegt
und — wenigstens in den meisten Fällen — fertig gestellt worden ist, gehört
einem Zeitabschnitt der Kunstgeschichte an, der mit der ganzen Summe seiner
Denkmäler uns erst lehren muß, was es um seine Stilgattung Eigentümliches
gewesen sei. Und zum andern: je weiter die Entstehung eines Kirchengebäudes
in der Vergangenheit zurückliegt, desto mehr Gelegenheit war vorhanden, daß
das Gebäude allerlei Umformungen und Zugaben späteren Geschmacks nnd Bedürf-
nisses auf die Gegenwart gebracht hat. Die Baugeschichte eines Kirchengebäudes
kann der Kundige vielfach von den Steinen ablesen; aber die schriftliche Urkunde
muß, wenn eine solche da ist, doch vor allein gehört werden; und wer soll die
Baugeschichte eines Kirchenhauses erforschen, wenn es nicht vor allem der Pfarrer
thut? Sofort wird sich ihm dann das Bedürfnis aufdrängen, wenigstens die
Hauptmerkmale der einzelnen Stile unterscheiden zu lernen. Und wenn er bei
weiterem Nachdenken und Nachfragen findet, warum da und dort von früheren
Geschlechtern am ursprünglichen Bestand geändert worden ist, welche Bedürfnisse
dabei mitgesprochen haben mögen, welcher Sinn und Geschmack, ob eine herzliche
Kirchenfreude, die für den Schmuck des Gotteshauses etwas aufwenden wollte,
oder eine blasierte Nüchternheit, die Aufräumen für das billigste hielt; so wird er
für sein weiteres Vorgehen auf dem Wege der „Restauration" zunächst eines gelernt
haben, was nicht genug empfohlen werden kann, nämlich Vorsicht und Behutsamkeit.
Aber die Kirche soll ja schöner werden, als sie zur Zeit ist. Und wenn
nun das Schöne eines jeden Stils darin liegt, daß durch die in ihm liegenden
Ausdrucksmittel der Gedanke des Gebildes einfach und klar ausgesprochen wird,
muß dann nicht bei einer Erneuerung aus die Stilformen der Entstehungszeit
zurückgegrisfen und alles entfernt werden, was spätere Zeiten in anderen Stil-
formen, wenn auch in bester Absicht, hinzugethan haben? Zur Schönheit ge-
hört doch vor allem die Einheit; und ein Gemenge von Stilen läßt wenigstens
für ein gebildetes Auge keinen harmonischen Eindruck aufkommen. Gewiß! Aber
eben so gewiß ist, daß das Haus der Gemeinde in erster Linie nicht dazu da ist,
ein möglichst reines Beispiel irgend einer Kunstform zu sein; und ebenso gewiß
ist, daß der Lebende nicht allein Recht hat, sondern daß die Geschichte, durch
welche das Haus hindurchgegangen ist, und welche ein Stück des geschichtlichen
Lebens der Gemeinde ausmacht, auch ein Recht hat. Man hüte sich doch vor
Einseitigkeiten! Die Predigtsprache der Kirche ist ein durchaus modernes Gebilde,
während die Gemeinde in Bibel, Katechismus und Kirchenlied, in liturgischen
und musikalischen Formen eine Menge von Altertümlichkeiten verschiedener Zeit
erträgt und jedes Geschlecht sich daran gewöhnt. Warum soll also nicht auf dem
Gebiet der stummen Künste ein Nebeneinander von Früherem und Späterem er-
träglich sein? Auch hier fordert wie auf dem Gebiet des Sprachlichen und
Musikalischen die Pietät gegen frühere Auswirkungen des kirchlichen Lebens und
der Zusammenhang mit denselben eine Schonung und Bewahrung dessen, was
von ihnen überkommen ist.