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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 50.1908

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Nr. 4 (April 1908)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44122#0123
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sein, als wir das Glück hatten, einen außerordentlich befähigten Künstler, unseren
hiesigen Architekturprofessor Pützer, an der Hand zu haben, dem wir dann auch
das Projekt aus freier Hand anvertrauten. Daß er seine Aufgabe nicht nur
gut, sondern mustergültig gelöst hat, ist von der fachmänuischeu Kritik allseitig
anerkannt worden.
Zn der Anordnung von Kanzel, Altartisch und Orgel sind wir den Ideen
Spittas gefolgt, nachdem ein Vorschlag des Verfassers, der allerdings etwas ab-
solut Neues brachte, von der Kirchenbehörde abgelehnt war. Während man beim
katholischen Kirchcngebäude nicht in Zweifel kommt, daß der Altar als die Opfer-
stätte das alles beherrschende Bauglied ist und auch sein muß, ist diese Frage
im evangelischen Kultus nicht so einfach zu lösen. Jedenfalls hängt ihre Lösung
in dem einen oder anderen Sinne davon ab, welche Stellung man zum Verhält-
nis der Guadenmittel untereinander einuimmt. Immerhin behält aber im evang.
Kultus der Altar nicht so ahne weiteres die allein dominierende Stellung, da
bei allen Evangelischen die Predigt, bezw. die Wortverkündigung eine ungleich
höhere Wertschätzung genießt, wie bei den Katholiken. In dem eben erwähnten
Vorschlag sollte nun die Gleichartigkeit der Gnadenmittel dadurch zum Ausdruck
nud zur Anschauung der Gemeinde gebracht werden, daß ihre Stätten (Kanzel
und Abendmahlstisch) nebeneinander zu stehen kamen. Den eigentlichen Schwer-
punkt des Kultusraumes bildete ein monumentales Kreuz, zu dessen beiden Seiten
Kanzel und Altartisch standen. Ausführlicher habe ich diese Anlage in der
Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst (Jahrgang 1905) begründet.
Nachdem dieser Vorschlag abgelehnt war, entschlossen wir uns zu der sog.
axialen Stellung, über die eine genauere prinzipielle Erörterung überflüssig er-
scheint, da diese Frage schon oft behandelt und auch auf dem Dresdener Kirch-
baukougreß Hauptgegeustaud der Verhandlung gewesen ist. Wertvoll war für
die Baukommission die Besichtigung der beiden Krefelder Kirchen, die uns neben
viel Vorbildlichem auch manches zeigte, wie man es nicht machen soll. Letzteres
hauptsächlich in der Behandlung der Kanzel, die dort eine etwas allzu reiche Aus-
stattung erfahren hat, so daß sie nach meinem Empfinden zu sehr dominiert.
Wir haben die Kanzel sehr schlicht und einfach gehalten und auch den Schall-
deckel, aber was sonst als Surrogat desselben angesehen werden mag, vermieden
und doch eine vorzügliche Akustik bekommen. Wir verdanken diesen günstigen
Umstand hauptsächlich der außerordentlich guten Nanmverteilung, die ja über-
haupt vom architektonische» Standpunkt aus das Geheimnis der wunderbar an-
heimelnden und erhebenden Raumstimmung ist. Selbst Leute, die sich heute noch
nicht mit dem ihnen ungewohnten Eindruck des Kircheuäußereu befreunden können,
geben rückhaltlos die Schönheit des Innern zu. Aeußertich, wie innerlich ist
die Kirche ganz einfach gehalten. Dekorative Spielereien sind nirgends zu
finden. Jeder einzelne Teil hat seine konstruktive Bedeutung und gibt sich als
das, was er ist, ohne etivas anderes vorzutänschen. Dafür haben wir aber, soweit
es unsere Mittel erlaubten, auch das echteste Material verwendet: von Steinen
Muschelkalk, der außen und innen zur Verwendung kam, und an Holz fast durch-
weg Eiche. Jede einzelne Tür ist bei aller Einfachheit ein Kunstwerk und von

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