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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 52.1910

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Nr. 4 (April 1910)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44120#0125
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werden gewiß vorkommen. Aber ich denke, daß die Gemeinden danl der in
ihnen gefühlsmäßig lebenden Tradition genügend darüber wachen werden,
daß der kirchliche Charakter des Gebäudes nicht verwiſcht wird.

Wir werden auch dann kaum erwarten können, daß die tirchliche Architektur
die führende Stellung wiedergewinnen wird, die ſie im Mittelalter gehabt
hat. Das ist auch nicht nötig. Jedenfalls aber ſcheint mir dies der richtige
Weg zu sein, um vorwärtszukommen.

Sup. P. Brathe, Wansleben-zHalle

[3
Künſstlerbildung und Weltanschauung

eit längerer Zeit ſind die meiſten Kunstgeſpräche und Kunſtſchriftſtellereien

durchzogen von dem Gedanken des „L'art pour l’art“ + „Die Kunſt für
die Kunſt“. Hauptsächlich soll damit geſagt sein, daß in der Kunſt der Inhalt
nichts, die Form alles ist, daß es alſo nur auf das „Wie“, nicht auf das
„Was“ ankommt. Jnsonderheit bei dem Streit über Sittlichkeit und Kunſt
ſteht der Beurteilung eines Werkes nach ſeinem moraliſchen Inhalte die Be-
hauptung der Gleichgültigkeit dieſes gegenüber.

Wenn es aber so sein soll: warum wird dann so viel Aufhebens ge-
macht mit der „Eroberung neuer Stoffgebiete‘ ? warum werden anderseits
mancherlei Stoffgebiete dennoch vermieden oder wenigltens, trotz klaſsiſcher
Vorbilder, aus dem öffentlichen Kunstverkehr ausgeschaltet? und warum
bevorzugen endlich Künſtlerindividuen sowie Künſtlergruppen gewisse Stoffe
— bis zur Ausschließlichkeit und mit einem ersichtlichen lebhaften Interesse
an ihnen ?

Richtig iſt an jenem Gedanken ebenfalls nicht wenig. Richtig und
sehr berechtigt iſt die Verwahrung gegen das — man möchte ſagen: allgemeine
menſchliche Elend, daß die Darsſtellung mit dem Dargeſtellten verwechselt
wird. Richtig und zu beachten sehr nötig iſt, daß auch hier der Zweck nur die
indisferenten, nicht die ſchlechten Mittel heiligt, daß alſo kein Minus an
Künſtlerſchaft durch ein Plus an Inhalt entſchuldigt wird, und daß während
einer Entrüſtung des Laien die Künſtler etwa eine Stunde vor dem Kunſt-
werke diskutierend ſtehen können, dagegen nachher vielleicht gar nicht wissen,
was das Werk darſtellt uſw.

Haben wir jedoch recht, von Mitteln zu sprechen, so auch, von Zwecken
zu sprechen. Das Kunstwerk will in seiner eigentümlichen Sprache einem
Inhalt Ausdruck geben und damit Eindruck machen; und wer dies leugnet,
merkt nicht, daß es ihm ſchließlich doch auf ein Interesse an Inhalten, nur
an anderen, als den anderswo interessierenden, und wahrscheinlich an
minderwertigen ankommt. HIrgendwie gq,tendenziös“ isſt wohl jegliches
Kunſtwerk.

Aber man doll den Menſchen vom Künstler trennen? Voraussichtlich
würden Jich gerade die ,„Neutralſten“ dies im Ernſt am wenigsten gefallen
 
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