Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 52.1910

DOI Heft:
Nr. 6 (Juni 1910)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44120#0188
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
166

König David ersetzte Mittelbild eines Triptychons bilden, dessen Flügel-
bilder zwei interessante Beiſpiele von Landſchaften mit religiöſer Staffage
liefern, interesſant deshalb, weil hier die Natur nicht wie auf vielen der-
artigen Bildern älterer und neuerer Kunſt gegen den religiösen Vorgang der
Staſsage gleichgültig ist, ſondern mit großem Feingefühl die Stimmung auf-
nimmt. Hier eine heitere Frühlingslandschaft mit knoſpendem Leben zur
Schilderung des Familienglücks auf der Flucht nach Ägypten, dort eine
mächtige bewegte Wolken- und Felsenlandschaft mit dem Gang nach Emmaus,
die Revolution in der Geiſteswelt ſymbolisierend, die der Auferſtandene in
die Welt bringen wird. :

Ein großes Monumentalwerk von programmatiſcher Bedeutung ſollte
das leider nur Entwurf gebliebene Triptychon Lux kertur in tenebras werden.
Es würde neben Klingers Chriſtus im Olymp ein Hauptwerk der auf dem
Boden weltlichen Kunstſchaffens erwachsenen religiöſen Kunſt bilden. Beide
ſind auch inhaltlich verwandt, da sie beide den Sieg des Chriſtentums über
das Heidentum darstellen. Bei Klinger wird dieſes durch den Olymp mit
seinen Gottheiten repräsentiert, Böcklin schildert das germaniſche Heiden-
tum, das im Dunkel der Wälder seine Opfer bringt und vor dem eindringen-
den Lichte fliehen muß. Die sich zum Lichte drängende Menge auf dem
rechten Flügel des Böcklinſchen Werkes wird bei Klinger vertreten durch
die Pſyche, die als einzige der himmliſchen vor Chriſtus niederkniet, und
durch die beiden um Erlösung ringenden und flehenden plaſtiſchen Frauen-
geſtalten am Sockel. Zugleich wird an dieſen beiden Werken die Eigenart
der beiden Künſtler besonders deutlich. Böcklin geht auch hier vom Natur-
eindruck aus, dem Gegensatz zwiſchen Licht und Finsternis. Jeſus iſt der
Lichtbringer. Von ihm, der der Welt mit erhobenen Armen die Wunden-
male zeigt, ſtrömt das Licht in den Hain zur Linken, daß die Götzendiener
erſchreckt ins Dunkel fliehen, und umhüllt die Gruppe zur Rechten, die
ſich verlangend aus Finsternis der Sonne zuwendet. Die gekreuzigte Liebe
iſt das Licht der Welt, und dies Licht bewirkt die große Scheidung unter
den Menſchen, die „Krisis“, das Gericht. Dieser einfache, tiefe und tlare
Grundgedanke des Johannesevangeliums (Joh. 3, 16 21) kann als Thema
des Werks bezeichnet werden. + Zu bemängeln wäre die gar zu magere
Chriſtusgeſtalt, und die zu ſcharfe Scheidung der drei Teile durch mächtige
Säulen, wodurch die Einheitlichkeit leidet.

Klingers großes Werk, in dem Malerei, Skulptur und Architektur Jich
die Hand reichen, iſt aus dem Gedanken geboren. Sein Thema iſt die
Auseinandersſetzung zwiſchen Chriſtentum und Heidentum, zwiſchen Geiſt
und Sinnlichkeit, zwiſchen der gedankenklaren Wahrheit und dem ſchönen
Schein, der Welt des zielbewußten Wollens und der Welt jenseits von
Gut und Böse. Wie ein Keil schiebt ſich der ernſte Zug Chriſti und der chriſt-
lichen Tugendgestalten in die in sorglos heiterer Zerſtreuung Jich verteilende
Götterſchar hinein. Chriſtus iſt eine lichte Gestalt mit ernstem, aszetiſchem
Antlitz. Halb Prophet, halb Philosoph, iſt er mehr der Verkündiger einer
 
Annotationen