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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 55.1913

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Nr. 10 (Oktober 1913)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44561#0403
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Z74
Christliches Kunstblatt für Kirche, Zchule und Haus
Nr.lO

und geistigen Ethik der Gegenwart zusammen. Hängt zusammen mit der zer-
setzenden und verneinenden Umwertung aller unserer religiösen und ethischen
Werte, die nun einmal „Mode" sind und das, was wir in ernstem und ge-
wichtigem Zinn „Freiheit" nennen, zum Zerrbild widerlicher Leidenschaft und
Gelüste machen. Vas alles aber auch in einer Zeit, in der man sich höhnend
von denen abwendet, die von Gewissen und Verantwortlichkeit reden. In der
man den Begriff deutscher Eigenkultur umdeutet und umformt zu einem soge-
nannten Weltbürgertum, das allen nationalen Unforderungen fremd uns zum
Hohn und Gespötte anderer Völker macht. Wir werden ja noch davon zu
reden haben, welchen Unteil auch das Theater von heute an dieser „Entdeutsch-
ung" unseres Volkes aus Grund eines absichtlich oder unabsichtlich gefälschten
Bildungsbegriffes hat, und begnügen uns vorerst, die Tatsache sestzustellen, daß
wir uns hierbei in Übereinstimmung mit allen denen wissen, die unsere Zu-
kunftskultur auf einen festeren und sichereren Boden gestellt wissen wollen,
als denjenigen fremder und launenhafter Willkür einer Gewalttätigkeit, deren
Endziel doch immer nur die Selbstsucht bleibt.
Wan kann in vielen Dingen, namentlich in politischen und sozialen, eine
andere Unsicht haben als der bekannte Kritiker Erich Schlaikjer- mit dem,
was er in seinem neuen Büchlein „Gegenwart und Zukunft der deutschen
Schaubühne" (Verlag für Volkskunst, Rich. Keutel, Stuttgart) über die durch
die presse förmlich großgezüchtete deutsche Uusländerei sagt, muß man Wort
für Wort einig gehen. „Deutsche Uutoren", lesen wir dort, „verbergen in
der eigenen Hauptstadt ihre deutsche Herkunft und werden dafür nicht auf
öffentlichem Markte geohrfeigt, werden vielmehr gespielt und sind dem Erfolg
in der Tat näher, weil die Minierarbeit der presse es soweit gebracht hat,
daß etwas nur ausländisch zu sein braucht, um von vornherein die besseren
Uussichten zu haben. Wenn nun diese literarische Uuslandspresse in deutscher
Sprache annähernd die Hälfte ihres Raumes den Franzosen zur Verfügung
stellt, darf man nicht etwa annehmen, daß sie die andere Hülste für das Deutsch-
tum spart, so einseitig verfahren sie im Kultus des Auslandes keineswegs.
Nach den Franzosen kommen die Engländer, Italiener, Nüssen, Skandinavier,
die alle den großen, gemeinsamen Vorzug haben, daß sie keine Deutsche sind
und denen darum in wohlerwogener Konsequenz des ganzen Systems der Vor-
tritt gelassen wird. Man kann diese presse jahrelang lesen, ohne daß jemals
an die Existenz von Wilhelm Raabe erinnert wird, dem elendesten Klatsch über
den Italiener d'Annunzio aber kann man unter keinen Umständen entgehen.
Für Keller, Liliencron, Claus Groth, für alle diese köstlichen deutschen Dichter
zusammengenommen haben diese Zeitungen niemals so viel getan, wie für den
einen Gorki oder die Produkte des Herrn Shaw. Sie wagen die genannten
deutschen Dichter nicht herunterzureißen, oder wagen es wenigstens nicht mehr,
sie nahen sich ihnen an den seltenen literarischen Festtagen mit einem bildschönen
Artikel, um dafür an jedem neuen Werkeltage die Arbeit dieser Männer an die
 
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