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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 55.1913

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Nr. 10 (Oktober 1913)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44561#0405
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Thristliches Kunstblatt für Xirche, schule und Haus
Nr.lO

gleichgültigsten Nutoren des Kurlands zu verraten. Wenn es nach ihnen ginge,
die deutsche Kultur wäre eine festlich angezogene Leiche, die man bei seltenen
Gelegenheiten dem Publikum in förmlicher Weise zeigt. Daß man bei dem
schnöden Word die eigenen Hände mit im Spiele hatte, kann durch gemütvolle
Tränen geschickt verborgen werden."
von der Nusländerei in der presse ist nur ein kleiner Schritt zu der auf
dem Theater. Oder eigentlich gar keiner. Denn beide'hängen doch so eng
wie nur möglich zusammen. Tins ist auf das andere angewiesen, mag man
hüben wie drüben noch so eine schlechte Meinung von einander haben. Das
Theater bietet unseren modernen und natürlich immer „glänzenden Essayisten"
die Gelegenheit, alle Lichter ihrer Geistreichigkeit in einer so nachhaltigen Energie
leuchten zu lassen, daß man manchmal nicht mehr weiß, wo ein und aus vor
Namen und paradoxen, die einem um den Kopf schwärmen wie Mücken im
Sommer. Und die Herrschaften vom Theater, sei's in der Residenz oder in der
Provinz, umschmeicheln den Kritikus als ein „notwendiges Übel", von dessen
Urteil für ihre Zukunft oft sehr viel abhängt, mit einer solch raffinierten Ge-
schmeidigkeit und einem solchen Nufwand von Schmeicheleien, daß man schon
recht unerfahren oder — selbstbewußt sein muß, um ihnen ins Garn zu gehen.
Tine „Theaterkritik" schreiben kann ja bekanntlich jeder. Ts ist das nament-
lich draußen in der Provinz eine ganz beliebte Nebenbeschäftigung für ästhetisi-
rende Damen und Herrn jeden Berufs, die freilich von den ernsten Pflichten
einer solchen Nufgabe zumeist keinen Schimmer und keine Nhnung davon haben,
daß es sich hier in der Tat um eine eigene Kunst handelt. Line Kunst freilich,
die auf ganz anderen Voraussetzungen und Forderungen beruht, als denen der
Fähigkeit zu etlichen schönen Worten und Phrasen, mit denen zuletzt doch bei-
nahe weniger als nichts gesagt ist. Sch rede hier nicht von den Unzulänglich-
keiten jener Nachtkritik, die ihre Eindrücke oft in einer geistigen hast und
Übermüdung formen muß, bei der jede ruhige Überlegung, jedes Freiwerden von
der Stimmung des Nugenblicks ausgeschlossen und damit nur zu oft Schiefheiten
und Einseitigkeiten Tür und Tor geöffnet ist, mit denen man niemanden, weder
dem Nutor noch dem Künstler, noch auch dem Publikum irgendwie gerecht
werden kann. Sa, das Publikum! Nuch den ernsthaftesten Kritiker, der sich
im Laufe der Iahre darauf zu beschränken gelernt hat, sein Urteil lediglich auf
die Gebote seines Gewissens zu gründen, packt in manchen trüben Stunden
ein ehrlicher Ingrimm über Undank und Verbohrtheit einer Gesellschaft, die über
das, was ihm Sache des Herzens und der innersten Überzeugung ist, zwischen
der ersten und der zweiten Tasse Kaffee oder beim Frühschoppen mit einer Ober-
flächlichkeit und Fadheit zu Gericht sitzt, wie sie eben nur bei denen gedeihen
kann, die alle unsere Kulturwerte zur seichten Mode umschweißen.
Soll und kann und wird aber das Theater, wie wir es heute haben, ein
deutscher vildungsfaktor bleiben? Man kann, wie wir ja schon durch Nnführung
von Schlaikjers Sätzen ausgesprochen haben, in solchen: Zusammenhang das gute
 
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