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Kramer verblieb in Brzeg spatestens vom 1569 bis mindestens 1592 J., und
uber seiner Schaffenkraft geben erhaltene Werke den Begriff. Sein sicheres, doku-
mentiertes Werk ist der grosse Steinaltar in der St. Jacobi-Kirche in Nysa, eine
Stiftung des Bischofs Martin Gerstmann vom J. 1584. Andere Werke die ich ihm
zuschreibe sind: das grosse Epitaph, entweder ein hangendes Grabmal von Bischof
Kaspar von Logau und die Architektur des Epitaphs von Martin Gerstmann —
beide in derselben Kirche, drei Reliefs in der Pfarrkirche in Oława (Ohlau) und
schliesslich dtirfte er bei der Kanzel in Michałów (Michelau) gewirkt haben.
Kramer war bestimmt ein Bildhauer der sein Handwerk gut beherrschte, wenn
auch die Tendenz zur Darstełlung von mehrgestałtigen, manieristisch komponierten
Reliefs ihm oft Schwieriegkeiten in Anatomie und Perspektive bereitet hatten. Die
hóchste Errungenschaft erreichte er zweifelsohne auf dem Gebiete der Komposi-
tion der architektonischen Strukturen: in dem Gerstmann-Ałtar fuhrte er in Schłe-
sien das Retabel mit dem Tryumphbogenschema ein, und in dem Epitaph von
Logau (wenn man es ais sein Werk annehmen darf) hat er die Form einer flachen
Epitaphstruktur mit der Form des Baldachingrabmals geschickt verbunden. Der
Bildhauer des briegieschen Fiirsten brachte mit sich aus Sachsen eine Vorliebe
fur ruhige, klassizisierende Formen (italienisches Formgefuhl ist dort weiterhin
fest gebłieben), aber głeichzeitig fuhrte er konsequent die niederlandische Dekora-
tion ein, die er hóchstwahrscheinłich in den breslauer Bildhauerwerksstatten ken-
nengełemt hatte. Ausschłaggebend ist noch der Umstand, dass sein Auftragge-
ber — Ftirst Georg II —wieś ausserordentłiche Kunstkenntnisse der europeischen
Modę und unmittelbar nach Vollendung seiner Residenz, die nach dem italieni-
schen Geschmack erhalten war, ubergab er die Ausschmuckung der Hoffkirche
dem Ktinstler, der wieder eine neue Stilrichtung reprasentierte.
In der bereits obererwahnten Kirche in Michałów befindet sich eine Steinkan-
zel, wie auch eine Taufe, die łetzte mit den Buchstaben HWK und mit der Jahres-
zahł 1575 bezeichnet. Der „Monogrammist HWK" zeigt kein hohes Niveau, im
Gegensatz weist die Kanzel viele Kunstelemente von grossem Wert auf. Man darf
annehmen dass der „Monogrammist HWK" nur teilweise bei Ausfuhrung der
Kanzeł beschaftigt war (die Stutzfiguren von Moses und zv/ei Engel), dagegen, die
sich durch Feinheit aufzeichnende Reliefs an den Brustungen sollen Kramers Werk
sein. Es besteht eine Voraussetzung fur die Entzifferung der Buchstaben HWK:
es kónnte der Bruder von Michael — Hans Kramer gewesen sein, dessen Namen
die Ouellen angaben in Górlitz im J. 1568 und wiederum nach mehr ais zwanzig
Jahren im 1590. Den eventuellen Aufenthalt des zweiten Kramer in Oppelner
Schlesien nehme ich ais bare Hypotese an, die ohne einen zuverlassigen archivak-
schen Beweis nicht bestehen kann.
Aus der Werkstatt Michael Kramers stammt der nachfolgende Ktinstler, dessen
ktinstlerisches Nachlass viel Originalitat aufweist. Hóhstwahrscheinlich ist er mit
Georg Grebacher identisch, der in Nysa geboren, in der Werksstatt von Kramer
ais Lehrling arbeitete und im J. 1580 selbstandig wurde. Vor dem J. 1598 kehrt
er in seine Heimatstadt zuriick wo er Auseinandersetzungen mit dem Zunftbru-
dern gehabt hatte. Nach diesem Jahre gibt es keine weiteren Uberlieferungen uber
seine Person. Aus Archivalien wissen wir noch, dass Grabacher es verstanden hat
kleine und feine Alabasterreliefs zu schaffen und dass er ohne Zweifel ein Kun-
stler von Ruhm gewesen war, nachdem ihm Auftrage sogar aus Halle gegeben
worden sind. Aufgrund dieser wenn auch oberflachlichen Nachrichten zuerst
W. Grundmann und dann K. Bimler ihm derart unwahrscheiniiche Werke zu-
schreiben, dass ich auf die Móglichkeit einer Identifikation Grebachers mit dem
anonymen Ktinstler der in dieser Zeit in Brzeg und Nysa geschaffen hat hinweisen
will, doch ihm mit den Arbeitsnamen „Meister von grossen Epitaphien" bezeichne.

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