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Der Cicerone
Heft 9
Winter zu einer radikalen Neuordnung der
Sammlung entschloß. Diese ist nun vollendet.
Leider bedeutet die jetzige Änordnung keine
Verbesserung, eher das Gegenteil. Man erkennt
die Äbsicht der Direktion, es dem großen, das
Museum nur flüchtig besuchenden Publikum so
bequem als möglich machen zu wollen, die
„Perlen“ sollen leicht zu finden sein. Aus diesem
Grund hat man vielfach mit der früheren histo-
rischen Anordnung gebrochen und die ein-
heimischen, spanischen Künstler etwas in den
Hintergrund geschoben. Die große Galerie wird
von den Hauptwerken Goyas eröffnet; es folgt
die Venezianer Schule: Tizian, Veronese, Tin-
toretto, Tiepolo, Greco (dessen Gemälde so un-
günstig wie nur möglich aufgestellt sind). Der
zweite Teil der Galerie wurde Rubens und
van Dyck eingeräumt. Die Velasquez- und Mu-
rillosäle wurden unberührt gelassen, der Ribera-
saal präsentiert sich jetzt sehr vorteilhaft. In
den Räumen links vom Eingang, die früher fast
ausschließlich Gemälde italienischer Meister ent-
hielten, hat man eine Anzahl der besten Werke
italienischer wie spanischer Künstler auf gestellt;
die beiden äußersten Abteile wurden mit rotem
Samt ausgeschlagen. Das eine enthält Werke
Raffaels und seiner Schule, das andere Gemälde
religiösen Inhalts von den spanischen Haupt-
meistern; Greco „Heilige Familie“ und „San
Benito“, Ribera „Gnadenstuhl in den Wolken“,
Velasquez „Marienkrönung“, Murillo „Concep-
cion“, Goya „Cruzifixus“. Wie man sieht, ist
die Auswahl nicht sehr glücklich, denn die
Marienkrönung des Velasquez, wie der Cruzi-
fixus Goyas zählen zu den schwächsten Werken
der Künstler und was das Gemälde Riberas an-
langt, so befindet sich eine weit bessere Replik
im Escorial. Sonst sieht man noch in diesen
Räumen das „Abendmahl“ des Juanes, die
„Franziscusvision“ von Ribalta, eine „Madonna“
von Morales, den „Passionszyklus“ Tiepolos usw.
In die schon überfüllten Parterreräume hat man
die Primitiven aus dem Hauptstockwerk ge-
stopft, einige wichtige Werke mußten gar ins
Magazin wandern, da der Platz nicht ausreichte.
Im zweiten Stock wurde die spanische Schule
des XVII. Jahrhunderts in den Räumen unter-
gebracht, die früher vor allem Werke von
Rubens und van Dyck enthielten. Die Änordnung
hier ist recht glücklich, besonders die der Land-
schaften der Madrider Schule in dem linken
Seitensaal. Der Raum, der früher Gemälde von
Veronese barg, wurde den Franzosen ein-
geräumt. Dies ist in großen Zügen die neue
Aufstellung der Pradogalerie. Der Kunsthisto-
riker wird schon deshalb mit ihr unzufrieden
sein, weil er die Werke eines Künstlers oft an
drei oder gar vier Stellen sich zusammensuchen
muß. Aber auch von dem großen Publikum
werden nicht alle zufrieden sein, denn die Zahl
der Werke, die durch die neue Aufstellung
(namentlich in der Gallerie) gewonnen haben,
ist bedeutend kleiner als die, welche nun an
Wirkung verloren haben. Äugust L Magen
s
SEVILLÄ ■-
Weit glücklicher als die Direktion der Prado-
galerie war das Kapitel der Sevillaner Kathe-
drale bei der Neuordnung der zahlreichen Ge-
mälde, die dieser Dom birgt. Abgesehen von
den Ältargemälden wurden fast alle Bilder um-
gehängt: die von weniger Wert in dunkle Ka-
pellen verbannt, gute und höchst interessante
ans Licht gezogen, vor allem die Gemälde,
welche in der dunklen, für die Öffentlichkeit fast
unzugänglichen Sakristei der Capilla de laVirgen
de la Antigua hingen. So sieht man jetzt in
der Sacristia mayor die bezeichnete „Beweinung
Christi“ des Quatrocentisten Juan Sanchez,
in der Sacristia de los Calices ein großes, sehr
gutes Gemälde „Die Krieger Gideons Wasser
trinkend“, das dem späten Tizian äußerst nahe
steht, in der Taufkapelle eine Reihe von Ge-
mälden mit Scenen aus dem alten und neuen
Testament von Simon de Vos, bezeichnet und
datiert (1664), die „Geburt Christi“ und die
„Beschneidung“ von Jordaens, die beide, wie
man jetzt aus der Signatur ersehen kann, 1669
entstanden sind. In der Capilla de Escalas
hängt eine „Überreichung des Hauptes Johannes
d. T.“ von demselben Meister. Der Sevillaner
Llano y Valdes, dessen Werke äußerst selten
sind, ist nun mit fünf signierten Werken ver-
treten. Äußer den bekannten Bildern „Johannes
und das Synhedrium“ und „Berufung des Mat-
thäus“ (1668) schmückt die Sacr. de los Calices
eine Rosenkranzmadonna, die Sacr. mayor ein
Cruzifizus und die Cap. de Escalas eine „Pieta“
von der Hand dieses Malers, alle drei aus dem
Jahre 1666. Das kleine Halbfigurenbild einer
„Pieta“ (Maria, den toten Christus küssend) in
der Sacr. de los Calices darf man wohl als ein
Jngendwerk von Quinten Metsys bezeichnen.
An zwei Altären der Westseite sind nun zwei
hervorragende Skulpturen aus der zweiten
Hälfte des XV. Jahrhunderts aufgestellt, die
„Virgen de la Cinta“ und die „Virgen del
Madrono", höchstwahrscheinlich Arbeiten von
Lorenzo Mercadante, dem Schöpfer des Grab-
mals des Kardinals Cervantes.
Das Sevillaner Museum ist um einige sehr
bedeutende Werke bereichert worden. Äbge-
Der Cicerone
Heft 9
Winter zu einer radikalen Neuordnung der
Sammlung entschloß. Diese ist nun vollendet.
Leider bedeutet die jetzige Änordnung keine
Verbesserung, eher das Gegenteil. Man erkennt
die Äbsicht der Direktion, es dem großen, das
Museum nur flüchtig besuchenden Publikum so
bequem als möglich machen zu wollen, die
„Perlen“ sollen leicht zu finden sein. Aus diesem
Grund hat man vielfach mit der früheren histo-
rischen Anordnung gebrochen und die ein-
heimischen, spanischen Künstler etwas in den
Hintergrund geschoben. Die große Galerie wird
von den Hauptwerken Goyas eröffnet; es folgt
die Venezianer Schule: Tizian, Veronese, Tin-
toretto, Tiepolo, Greco (dessen Gemälde so un-
günstig wie nur möglich aufgestellt sind). Der
zweite Teil der Galerie wurde Rubens und
van Dyck eingeräumt. Die Velasquez- und Mu-
rillosäle wurden unberührt gelassen, der Ribera-
saal präsentiert sich jetzt sehr vorteilhaft. In
den Räumen links vom Eingang, die früher fast
ausschließlich Gemälde italienischer Meister ent-
hielten, hat man eine Anzahl der besten Werke
italienischer wie spanischer Künstler auf gestellt;
die beiden äußersten Abteile wurden mit rotem
Samt ausgeschlagen. Das eine enthält Werke
Raffaels und seiner Schule, das andere Gemälde
religiösen Inhalts von den spanischen Haupt-
meistern; Greco „Heilige Familie“ und „San
Benito“, Ribera „Gnadenstuhl in den Wolken“,
Velasquez „Marienkrönung“, Murillo „Concep-
cion“, Goya „Cruzifixus“. Wie man sieht, ist
die Auswahl nicht sehr glücklich, denn die
Marienkrönung des Velasquez, wie der Cruzi-
fixus Goyas zählen zu den schwächsten Werken
der Künstler und was das Gemälde Riberas an-
langt, so befindet sich eine weit bessere Replik
im Escorial. Sonst sieht man noch in diesen
Räumen das „Abendmahl“ des Juanes, die
„Franziscusvision“ von Ribalta, eine „Madonna“
von Morales, den „Passionszyklus“ Tiepolos usw.
In die schon überfüllten Parterreräume hat man
die Primitiven aus dem Hauptstockwerk ge-
stopft, einige wichtige Werke mußten gar ins
Magazin wandern, da der Platz nicht ausreichte.
Im zweiten Stock wurde die spanische Schule
des XVII. Jahrhunderts in den Räumen unter-
gebracht, die früher vor allem Werke von
Rubens und van Dyck enthielten. Die Änordnung
hier ist recht glücklich, besonders die der Land-
schaften der Madrider Schule in dem linken
Seitensaal. Der Raum, der früher Gemälde von
Veronese barg, wurde den Franzosen ein-
geräumt. Dies ist in großen Zügen die neue
Aufstellung der Pradogalerie. Der Kunsthisto-
riker wird schon deshalb mit ihr unzufrieden
sein, weil er die Werke eines Künstlers oft an
drei oder gar vier Stellen sich zusammensuchen
muß. Aber auch von dem großen Publikum
werden nicht alle zufrieden sein, denn die Zahl
der Werke, die durch die neue Aufstellung
(namentlich in der Gallerie) gewonnen haben,
ist bedeutend kleiner als die, welche nun an
Wirkung verloren haben. Äugust L Magen
s
SEVILLÄ ■-
Weit glücklicher als die Direktion der Prado-
galerie war das Kapitel der Sevillaner Kathe-
drale bei der Neuordnung der zahlreichen Ge-
mälde, die dieser Dom birgt. Abgesehen von
den Ältargemälden wurden fast alle Bilder um-
gehängt: die von weniger Wert in dunkle Ka-
pellen verbannt, gute und höchst interessante
ans Licht gezogen, vor allem die Gemälde,
welche in der dunklen, für die Öffentlichkeit fast
unzugänglichen Sakristei der Capilla de laVirgen
de la Antigua hingen. So sieht man jetzt in
der Sacristia mayor die bezeichnete „Beweinung
Christi“ des Quatrocentisten Juan Sanchez,
in der Sacristia de los Calices ein großes, sehr
gutes Gemälde „Die Krieger Gideons Wasser
trinkend“, das dem späten Tizian äußerst nahe
steht, in der Taufkapelle eine Reihe von Ge-
mälden mit Scenen aus dem alten und neuen
Testament von Simon de Vos, bezeichnet und
datiert (1664), die „Geburt Christi“ und die
„Beschneidung“ von Jordaens, die beide, wie
man jetzt aus der Signatur ersehen kann, 1669
entstanden sind. In der Capilla de Escalas
hängt eine „Überreichung des Hauptes Johannes
d. T.“ von demselben Meister. Der Sevillaner
Llano y Valdes, dessen Werke äußerst selten
sind, ist nun mit fünf signierten Werken ver-
treten. Äußer den bekannten Bildern „Johannes
und das Synhedrium“ und „Berufung des Mat-
thäus“ (1668) schmückt die Sacr. de los Calices
eine Rosenkranzmadonna, die Sacr. mayor ein
Cruzifizus und die Cap. de Escalas eine „Pieta“
von der Hand dieses Malers, alle drei aus dem
Jahre 1666. Das kleine Halbfigurenbild einer
„Pieta“ (Maria, den toten Christus küssend) in
der Sacr. de los Calices darf man wohl als ein
Jngendwerk von Quinten Metsys bezeichnen.
An zwei Altären der Westseite sind nun zwei
hervorragende Skulpturen aus der zweiten
Hälfte des XV. Jahrhunderts aufgestellt, die
„Virgen de la Cinta“ und die „Virgen del
Madrono", höchstwahrscheinlich Arbeiten von
Lorenzo Mercadante, dem Schöpfer des Grab-
mals des Kardinals Cervantes.
Das Sevillaner Museum ist um einige sehr
bedeutende Werke bereichert worden. Äbge-