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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0869
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MALEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN

und fein Orden eine ähnliche Rolle in Japan fpielten, wie der heilige Franz von Affifi und
die Franziskaner in Europa. Das ältefte Werk der Efhin-Schule ift die Amida mit den
25 Bodhisattwa1 vom Koyafan, dem [timmungsvollen Tempelbezirk in der Provinz Kii. Das
Werk trägt das dem Jahre 965 entfprechende japanifche Datum und ift hochberühmt im
ganzen Lande. Die Japaner pflegen es mit der Sixtinifchen Madonna zu vergleichen.
Das Berliner Bild ift wohl etwa 200 Jahre jünger. Die von der chinefifchen Tang-
kunft geliehene Monumentalität ift bereits etwas verloren gegangen. Diefer Prozeß
tritt noch deutlicher bei der Monju des Berliner Mufeums (Abb. 12) hervor, einem
echten Werke der Kamakurazeit, das uns wieder etwa 100 Jahre, bis in die Mitte des
13. Jahrhunderts weiterbringt. Hier ift der Geift der alten Tangzeit fchon völlig ge-
fchwunden. Die buddhiftifche Kunft ift japanifiert worden, das heißt in diefem Falle,
fie mutet zierlicher, anfprechender, menfchlicher an, aber auch profaner und kleinlicher.
Machen wir uns die verfchiedenen Tendenzen der beiden Kakemono etwas klarer. Bei
Amida Einfachheit der Farbengebung, Inkarnat und Gewänder nur Gold in Gold; bei
der Monju ein bewußtes koloriftifches Streben, das fogar durch alle Nachdunkelung
hindurch erkennbar und wirkfam ift. Zeigt doch die ganze Kamakuraperiode eine
ausgefprochene Neigung zum Koloriftifchen. Dort kräftige, mehr auf Fernwirkung ein-
geftellte rote Konturen bei Kopf und Armen, hier feine, minutiöfe goldene Linien, die
die Hand des llluminiften verraten. War Amidas Geficht noch beinahe eine abftrakte
Konftruktion aus geometrifchen Linien, fo hier ein faft menfchliches, ja faft liebliches
Antliß, deffen kirfchrote Lippen pikant aus dem Goldinkarnat auftauchen. Läßt man
vor feinem Auge die bekannteften Monju-Darftellungen Japans vorüberziehen, dann
muß man geftehen, daß das Berliner Bild überrafchend gut deren Durchfchnitt repräfen-
tiert. Die Monju des Daigoji und die des Kozanji, dem Chinkai beziehungsweife dem
Kofe Hirotaka ohne rechten Grund zugefchrieben, dürften höher ftehen und auch älter
fein, die aus dem Befiß des Grafen Matfura, mit der Bezeichnung Gofhin 1334, fcheint
mir geringer.

In eine ganz andere Welt führt uns ein drittes buddhiftifches Werk (Abb. 13), in
die von wilden Hindugottheiten bevölkerte Welt der Shingonfekte, die von Kobo
Daifhi gegründet, auf dem Koyafan ihren Hauptfiß hat. Es ftellt Fudö mit feinen
beiden Begleitern dar. Auf dem Koyafan befindet fich das gewaltigfte Fudöbild2, das
Japan kennt. Chifho Daifhi zugefchrieben, dem Begleiter Kobos auf deffen berühmter
Reife nach China, geht es vielleicht wirklich bis in das 9. Jahrhundert zurück. Ein
Werk, deffen dämonifche Macht unvergeßlich für jeden fein muß, der es je aus dem
Halbdunkel des Myowo-in hat auftauchen fehen. Der Berliner Fudö ift eine Schöpfung
der Kamakurazeit. Das Motiv, fo aufgefaßt, fcheint überhaupt erft im 13. Jahrhundert
aufgekommen zu fein. Eine nicht geringe Zahl faft identifdrer Arbeiten, alle offenbar
aus dem 13. Jahrhundert, findet fich in Japan. Jeder Tempel der Shingonfekte mußte
feinen Fudö haben. Sollte er doch eine Inkarnation des Dainichi, der myftifchen Haupt-
gottheit der Shingonfekte, fein, wie Kobo Daifhi ein auf Erden wandelnder Dainichi.
An der Tang-Monumentalität von Chifho Daifhis Fudö gemeffen, fpricht das Berliner
Bild geglättet und faft freundlich an. Für fich betrachtet aber ift genug des Kraft-
vollen und Furchterregenden geblieben und mit feltener Feinheit herausgebracht. Scharf
gefpannt in allen Gliedern fteht der Gott da, wuchtig hält er Schwert und Seil, um
die Verächter des Buddhismus zu vernichten oder zu feffeln. Lebendig züngeln die

1 Siehe Kokka, Heft 232.

2 Siehe Shimbi Täikwan, Band 8, Tafel 5.

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