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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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22. Heft
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Stoermer, Curt: Die Neuerwerbungen der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0818
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DIE NEUERWERBUNGEN DER BREMER KUNSTHALLE

befißen wir für fie noch keine
Formel, wie für den neuen
deutfchen Realismus, denn
diefen empfinden wir fchon
hiftorifch und dadurch, daß
[ich eine ganze junge Gene-
ration von ihm zu befreien
fucht, ift er für unfer Gefühl
abftrakt genug, um als Schule,
als zeitliche Notwendigkeit
zu gelten. Daher halte ich
es für durchaus gerechtfertigt,
wenn hier von Liebermann
und Slevogt im Zufammen-
hange mit alten Niederlän-
dern gefprochen wird. Das
Wefentliche ift nur, wie auch
Dr. Pauli ausfprach, die geifti-
gen Intereffen der jungen Ge-
neration im Auge zu haben.
Ich glaube nicht, daß man
fie leiten kann, aber fie durch
pofitive Anregung zu befrie-
digen, ift die Aufgabe der
modernen Mufeen.
Für Pauli liegt der Schwer-
punkt des Realismus in dem
unerreichbar ftarken Ausdruck
einzelner Perfönlichkeiten, und
es ift diefe Bereicherung an
perfönlichem Ausdruck, die er durch den traditionsreichen Ausbau der Kunfthalle zu einem
Monumentaleindruck fteigern will. Er hat fich alsMufeumsleiter fchwer behaupten müffen.
Mit ungefchliffenen und fchlecht motivierten Angriffen verfuchte man, fein Schaffen dem
Kriterium der Tagespreffe und dem Urteil bedürfnislofer Laien zu unterteilen. Er hat
fich dann öffentlich ausgefprochen, die Grundzüge feiner Tätigkeit klargelegt und mit
großer Energie den Willen bekundet, keinen Schritt von dem angebahnten Wege ab-
zugehen. Nun hängt es mit der Unbeirrbarkeit feines Willens zufammen, daß er der
jungen Generation nicht das befondere Gefühl entgegenbringt, welches die der alten
konträr gerichtete Pfyche verlangt, und die Fähigkeit, die (vielleicht noch fchwächlichen)
Umriffe des neuen Kunftgedankens als innerlich gerechtfertigt zu erkennen.
Das war es auch nicht, was man von Pauli verlangt hat, aber er follte nur Werke
lebender (vielleicht darbender) Künftler ankaufen. Die Gefährlichkeit folchen Beginnens
ift ja dem Laien nicht klar, aber es wäre kaum möglich, verderblichere Konflikte her-
aufzubefchwören, als indem man gezwungen wäre, die dekadenteften Erfcheinungen zu
fördern. Troßdem, für ein zukünftiges Mufeum wäre dies der einzigfte Weg, und
man dürfte keinem neuen Mufeum raten, fchon der hohen Preife halber, Werke älterer
Meifter zu kaufen. Nur wird die Verantwortlichkeit des Leiters eine eminent viel


Abb. 2. JAN STEEN, Liebeswerbung

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