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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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23. Heft
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Meier, Burkhard: Johann Christoph Rincklake
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0855
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JOHANN CHRISTOPH RINCKLAKE


fchließung (Abb. 2), zeigt in heiter
Beleuchtung ein frifches Geficht,
aber ohne Locken mit gelichteten
Schläfen. Er trägt grauen Rode
und weiße Binde, vor graugrünem
Grunde; von der graubraunen Staf-
felei grüßt in koketter Pofe das
in Arbeit befindliche Bild feiner
Frau; der Maler hält den Pinfel
in der rechten Hand. Spätere
Selbftbildniffe zeigen rafch ge-
alterte, fchlaffeZüge, die auf feinen
frühen Tod, er ftarb 49jährig,
hinweifen.
Die Jahre 1770 etwa bis 1802
umgrenzen eine Zeit, die dem
Münfteraner von heute eine be-
fonders teure ift. Münfter war
dazumal ein Kulturmittelpunkt, der
im geiftigen Leben Deutfchlands
eine geachtete Stellung von aus-
geprägter Eigenart errungen hatte,
für die als befter Zeuge immer
noch Goethe angeführt werden
mußA Um den Minifter des geg-
lichen Fürftentums, Franz von Fürftenberg und die Fürftin Amalie von Gallium,
hatte [ich ein Kreis gleichgefinnter, gleichgebildeter Menfchen gefchloffen, von denen
Hamann aus Königsberg, Friedrich Leopold, Graf von Stolberg, Anton Mathias Sprick-
mann genannt feien, zu denen [ich noch einige andere gefeilten, deren Bedeutung nur
innerhalb Münfters bekannt ift. Das Band, das alle zufammenhielt und innerhalb deffen
[ich jeder betätigte und auslebte, war eine ftrenggläubige, ftrengkatholifche Religiofität
von tiefer Innerlichkeit und nicht frei von myftifcher Schwärmerei, die aber auch
pofitive Leitungen in Schule, Univerfität, fozialen Fragen genug aufzuweifen hat. ln
diefen Kreis trat Rincklake, nach dem Zeugnis feiner Tochter nicht nur als beauftragter
Porträtmaler, fondern als gleichgeachteter und gleichgefinnter Genoffe. Er fchuf in feinen
Porträts eine Ikonographie diefes Kreifes, die über das rein Künftlerifche hinaus kultur-
gefchichtliche Bedeutung hat. Er malte ferner die Lehrer der Univerfität, die Geg-
lichen, die Honoratioren der Stadt; die meiften Aufträge jedoch vermittelte ihm der
Landadel, und es gibt noch heute kaum eines diefer alten Gefchlechter, in deren ftädti-
fchen Höfen oder Landfilmen nicht die Ahnen von Rincklake gemalt, einzeln oder in
größeren Gruppenbildern, an der Wand hängen. Aber auch viele eingefeffene bürger-
liche Familien bewahren mit Pietät ihre von Rincklake gemalten Groß- oder Urgroß-
eltern. Luife berichtet, daß er nie verfäumt habe, durchreifende Fremde von Ruf um
eine Sitzung zu bitten, fo z. B. den Phrenologen Gail, und es ift zu verwundern, daß
Goethe 1792 feinem Pinfel entgangen ift.
i Lefenswert ift das Kapitel, das Hermann Schmiß in „Münfter" (Berühmte Kunftftätten) diefer
Zeit widmet.

Abb. 2. J. CHR. RINCKLAKE, Der
Maler beim Porträtieren feiner Frau

Eigentum des Herrn
Bernhard Rinckiake
in Münfter

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