DOI Heft:
6. Heft
DOI Artikel:Münsterberg, Oskar: Chinesische Kunst in Amerika, [2]
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0222
CHINESISCHE KUNST IN AMERIKA
philofophifchen Denkens. Ein
Spiegel jener Weltanfchauung
der Sungzeit. Alles ift Sym-
bolik und Myftik. Hier wirkten
die gleichen Empfindungen, wie
bei denTöpfereien mitihren wun-
derbaren Glafuren, die wir oben
kennen lernten. Die Oberfläche
wurde durch keineZeichnung be-
lebt, fondern von einem wunder-
baren myftifchen Spiel von Far-
benübergängen und zartverlau-
fenden Tönungen umfponnen.
In ähnlicher Weife find an-
dere Berglandfchaften in der
Freer-Sammlung aufgefaßt. Wir
finden Berge mit breitem Pinfel-
ftrich kräftig hingefeßt. Zu-
nächft fehen wir nur im Vor-
dergründe Bäume, und erft all-
mählich, wenn wir genauer
hinfchauen, entdecken wir unter
ihnen, ganz ferne auf der Spiße
einer Landzunge, faft unbe-
merkbar, ein kleines Männchen.
Und wenn wir, entfprechend
dem chinefifchen Stil, ihn nicht
nur als Objekt, fondern zu-
gleich als Subjekt auffaffen
und feinem Blicke folgen, fo
bemerken wir auf dem Waffer
ein Boot, mit wenigen Strichen
dargeftellt, auf dem ein Angler
feine befchauliche Tätigkeit aus-
übt. Diefe Handlung tritt aber
fo vollkommen zurück, daß man
auf den erften Blick nur die
Stimmung der Gefamtwirkung,
die fteilaufftrebenden Berge mit
den Bäumen des Vordergrundes,
wahrnimmt und den vollen Ge-
genfaß zu der weiten duftigen
Ferne empfindet. In der Mitte
des Bildes ift eine Waldpartie, die in grau verlaufenden Tönen den freien Raum ausfüllt.
Diefe Landfchaftsmalereien des Sungftiles bilden den größten Gegenfaß zu den rein
erzählenden Bildern der älteren Tangzeit, die wir allerdings in einem Original bisher nur
aus der Ku K’ai Chih Rolle in London kennen gelernt haben. Da im japanifchen Kaiferfchloß
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Äbb. 14. Landfdiaft, Schwarz-weiß-Malerei Sammlung Hirth,
auf Papier, 50X95 cm, gez.: Nitfan (1341) New-York
196
philofophifchen Denkens. Ein
Spiegel jener Weltanfchauung
der Sungzeit. Alles ift Sym-
bolik und Myftik. Hier wirkten
die gleichen Empfindungen, wie
bei denTöpfereien mitihren wun-
derbaren Glafuren, die wir oben
kennen lernten. Die Oberfläche
wurde durch keineZeichnung be-
lebt, fondern von einem wunder-
baren myftifchen Spiel von Far-
benübergängen und zartverlau-
fenden Tönungen umfponnen.
In ähnlicher Weife find an-
dere Berglandfchaften in der
Freer-Sammlung aufgefaßt. Wir
finden Berge mit breitem Pinfel-
ftrich kräftig hingefeßt. Zu-
nächft fehen wir nur im Vor-
dergründe Bäume, und erft all-
mählich, wenn wir genauer
hinfchauen, entdecken wir unter
ihnen, ganz ferne auf der Spiße
einer Landzunge, faft unbe-
merkbar, ein kleines Männchen.
Und wenn wir, entfprechend
dem chinefifchen Stil, ihn nicht
nur als Objekt, fondern zu-
gleich als Subjekt auffaffen
und feinem Blicke folgen, fo
bemerken wir auf dem Waffer
ein Boot, mit wenigen Strichen
dargeftellt, auf dem ein Angler
feine befchauliche Tätigkeit aus-
übt. Diefe Handlung tritt aber
fo vollkommen zurück, daß man
auf den erften Blick nur die
Stimmung der Gefamtwirkung,
die fteilaufftrebenden Berge mit
den Bäumen des Vordergrundes,
wahrnimmt und den vollen Ge-
genfaß zu der weiten duftigen
Ferne empfindet. In der Mitte
des Bildes ift eine Waldpartie, die in grau verlaufenden Tönen den freien Raum ausfüllt.
Diefe Landfchaftsmalereien des Sungftiles bilden den größten Gegenfaß zu den rein
erzählenden Bildern der älteren Tangzeit, die wir allerdings in einem Original bisher nur
aus der Ku K’ai Chih Rolle in London kennen gelernt haben. Da im japanifchen Kaiferfchloß
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Äbb. 14. Landfdiaft, Schwarz-weiß-Malerei Sammlung Hirth,
auf Papier, 50X95 cm, gez.: Nitfan (1341) New-York
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