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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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11. Heft
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Schulz, Fritz Traugott: Zur Charakteristik Johann Baptist Lampis d. Ä.
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0444
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ZUR CHARAKTERISTIK JOHANN BAPTIST LAMPIS d. Ä.

Qualitäten darzuftellen, mußte dem erft 31jährigen Künftler als eine verlockende Auf-
gabe erfcheinen. Er mußte fein Beftes zu geben verfuchen und er tat es.

Es ift eine tragifche Fügung des Schickfals, daß die Macht, der Reichtum und der
Glanz des Friefifchen Haufes nur von kurzer Dauer waren. Sein Sohn Jofef ftarb
bereits im Jahre 1788. Er befaß ein großes Kunftverftändnis und wurde der Be-
gründer der Friefifchen Sammlungen. Goethe verkehrte während feiner italienifchen
Reife vielfach mit ihm und erwähnt ihn häufig in feinen italienifchen Briefen. Der
Name feines Bruders MoriJä, der fein Univerfalerbe wurde, ift ebenfalls nicht unbe-
kannt. Durch ihn gewann Francois Gerard mit Wien Fühlung. Sein von dem ge-
nannten Künftler im Jahre 1804 in Paris gemaltes Familienbild hat wegen feiner un-
gezwungenen Anmut viel Auffehen erregt (Hevefi, S. 24). Auch förderte er den
Plaftiker und Modelleur Jofef Daniel Böhm (1794—1865) in nachhaltiger Art durch
Erteilung von Aufträgen. Aber es ift merkwürdig: anfangs einer der reichften Menfchen
in ganz Öfterreich, führte er das große, anfcheinend unerfchöpfliche Vermögen in dem
kurzen Zeitraum von 25 Jahren dem völligen Ruin zu, und vernichtete das ftolze
Gebäude des Glanzes und der Macht feines Haufes, das fein Vater fo mühevoll auf-
gebaut. Beim Zufammenbruch des Haufes im Jahre 1826 wurden die Kunftfchälje allein
auf eine halbe Million gefchätjt.

Doch kehren wir zu unferem Bilde zurück! Sein Grund befteht aus Bolus mit
darüber befindlicher grauer Lackfarbe. Die Malerei ift Deckfarbenmalerei. Seinen eigent-
lichen Reiz aber geben ihm erft die fein verriebenen zarten Lafuren. Der Grund ift
auf ein weiches Dunkelgrau geftimmt, das fich nach dem Kopf und der Bruft zu all-
mählich aufhellt. Licht und Schatten find mit Bedacht gegeneinander abgewogen, fo
daß fich die Geftalt in weicher Rundung von ihm loslöft. Ruhig und vornehm wie das
Kolorit des Untergrundes ift auch der gedämpfte Ton des Bildes felbft, das zwar nicht
von bezwingender Größe ift, aber mit der fchlichten Art der Darftellung und der ge-
wiffenhaften Treue der pfychologifchen Charakteriftik den Blick unwillkürlich bannt.
Graf Johann von Fries trägt einen dunkelblauen Samtrock, der am Kragen mit einer
zwiefachen, am Rand mit einer einfachen Goldborte in Form eines verfchlungenen
Bandes und mit vergoldeten Emailknöpfen geziert ift. Ein Spißenjabot und eine weiße
Atlaswefte vervollftändigen die zeitgemäße Tracht. Doch das find alles nur neben-
fächliche, wenn auch notwendige Begleitmomente. Das Wichtigfte ift das mit un-
gezwungener Natürlichkeit, mit einem für die Zeit nicht allzu häufigen Realismus, der
noch nichts von der liebenswürdigen und heiteren vormärzlichen Wiener Kunft an fich
hat, durchgeführte Antliß. Es ift ein Spiegel der Seele diefes Mannes, deffen Lebens-
gang und perfönliche Eigenfchaften uns den Schlüffel zum Verftändnis des Wertes
unferes Bildes geben. Etwas läffig und müde hängt der Augenbogen über das obere
Lid herab. Das Äuge felbft verrät größte geiftige Anfpannung. Aber es blickt klar
und beftimmt und ift der Ausdruck eines unbeirrbaren Vorwärtsftrebens fowohl wie eines
unbezähmbaren Willens, hinter dem fich kein Falfch birgt. Der Blick ift feft und be-
zwingend. Aber auch fonft ift eiferne Willenskraft das Bezeichnende an diefem Äntlitj.
Ich verweife auf die kräftig markierte Nafe und auf den energifchen Zug um den
leicht geöffneten Mund. Im übrigen ift das Antliß ßeifchig und wohl gerundet und
deutet auf einen Mann, der fich einer anfehnlichen Wohlhabenheit erfreute.

Wie uns Hevefi (S. 7) berichtet, hat Lampi bei der Stiftung feines Preifes für
Modellzeichnung ausdrücklich ausbedungen, daß „ordentliche Ausführung der Hände
und Füße vorzüglichft zu beachten“ feien. Älfo auch er war ein Kind feiner Zeit,

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