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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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LITERATUR

Steen erinnernde Malweife abweidit. Vermut-
lich flammt das Bild von keinem diefer beiden
Maler, fondern von einem dem frühen Pieter
de Hoodi naheftehenden Meifter. Das falfch
„J. Steen f.“ fignierte Bild Nr. 201, „Die Ohn-
mächtige“, ift kein Ochtervelt, dem es Cohen
ebenfalls nicht mit Sicherheit zuweift, dagegen
könnte man bei dem Frans von Mieris zuge-
fchriebenen Violinfpieler, Nr, 148, an Ochter-
velt denken. Der nur zögernd als „Art des
Adriaen Brouwer“ angeführte „Lautenfpieler“,
Nr. 33, gehört eher dem Zyl-Kreis an. Bei den
Bildern Nr. 101 („Huchtenburgh, Reitergefecht im
Gebirge“) und Nr. 280 („Terborch, Familienbild“)
muß man Hofftede de Groot zuftimmen, der —
laut Katalognotiz — das erfte Gemälde in die
Richtung Dirdc Stoops verweift und in dem
zweiten ein Frühwerk von C. Net [eher fieht. Die
bei dem „Seeftück“, Nr. 313 („Art des Simon de
Vüeger“), zitierte Vermutung Hofftede de Groots
„wahrfcheinlich von Pieter Mulier“ darf als Ge-
wißheit angenommen werden. Durch die große
Ähnlichkeit mit den fignierten Marinen P. Ma-
liers d. Ä. in den Galerien Noftig-Prag und
Thieme-Leipzig, fowie mit dem unbezeichneten
Marineftück des Meifters in der Sammlung Höl-
fcher-Mülheim wird bewiefen, daß das Bonner
Bild ganz beftimmt von Mulier herrührt.

E. Pliegfch.

Je weniger man wußte, woher man die Urteils-
grundlagen gegenüber der legten Entwicklung
der Kunft gewinnen follte, um fo gieriger griff
man nach allen Schriften, die eine Klärung des
Urteils oder doch wenigftens eine Sicherung
des Standpunktes zu verfprechen fchienen. Einen
arg mißglückten Verfuch, eine Grundlage der
Kunftkritik zu fchaffen habe ich im vorigen Hefte
befprochen. Heute handelt es [ich um drei
Bücher, die wefentlich ernfterer Natur find, die
alle drei verfuchen, der Kunft prinzipiell beizu-
kommen und eine möglichft abfolute Grundlage
der Betrachtung zu geben. Den weiteften Um-
fang begreift Erich Major mit feinen „QUEL-
LEN DES KÜNSTLERISCHEN SCHAFFENS“
(Verfuch einer neuen Äfthetik, Leipzig 1913
Klinkhardt & Biermann.) Zwei Dinge fallen
hier erheblich zugunften des Buches ins Ge-
wicht: einmal, daß es in einer wirklich lesbaren
und verftändlichen Sprache, ja fogar in einem
guten Stil gefchrieben ift, dann, daß es mit Ent-
fchiedenheit das Schaffen des Künftlers und
nicht die Wirkung des Kunftwerks zum Mittel-
punkt der Unterfuchung macht. Als die Quellen
gibt Major die Sehnfucht, oder anders gefprochen
das „Erotifche“, und den Willen zur Verewigung
an, den er hübfeh als den produktiven Ausdruck

unferer Ängft vor der Vergänglichkeit bezeichnet.
Im ganzen bewährt fich das Gerüft für die Lö-
fung der verfchiedenften Probleme, manchmal
aber doch nur, weil die Erkenntnis der ein-
zelnen Kunftgattungen nicht fehr tief und noch
dazu in falfcher Richtung geht. Die Behaup-
tung, daß der in Schönheit und Schmuck aus
den Mauern hervorbrechende Überfluß über-
haupt das Bauwerk zum Gegenftand der Kunft
mache, zeigt ein prinzipielles Mißverftändnis des
Wefens der Architektur ebenfofehr, wie die
Einfchägung der fogenannten realiftifdien Kunft
gründlich falfch ift. Was Major zu diefem Thema
vorbringt, läuft lebten Endes auf den Sag her-
aus, daß Kaulbach beffer fei als Manet, und
das ift nur möglich, weil die oppofitionelle Ent-
haltung von der Anekdote mit einem imWefen
der realiftifchen Kunft liegenden Mangel an Be-
ziehung zum Menschlichen verwechfelt wird,
und weil Major fich nicht entfchließen kann zu
fehen, daß auch der Realift, wie jeder Künftler
überhaupt, nur eine Geftaltung der Wirklich-
keit nach ideellen Prinzipien gibt, nach Funk-
tion und Gefegmäßigkeit. Das Buch wird
ficher nicht die legte Äfthetik Majors fein, ln
weiterer Arbeit wird er manche feiner Thefen
revidieren müffen, auch feine Ärbeitsweife
nicht immer aufrecht erhalten können. Es geht
z. B. nicht, daß „man von den kaum ernft zu
nehmenden Experimenten der Kubiften und Ex-
preffioniften völlig abfieht“. Sie müffen viel-
mehr entweder gebilligt oder ernfthaft des
Syftems verwiefen werden. Immerhin hat das
Buch fchon jegt einen beträchtlichen Wert; vor
allem den, daß es nach den endlofen Verfuchen
genießender Äfthetiken endlich einmal wieder
den Weg zur Betrachtung des Schöpferifchen
und zur Univerfalität gegangen ift.

In kleinerem Kreife bewegt fich Max Ra-
phaels Buch „VON MONET ZU PICASSO.
Grundzüge einer Äfthetik und Entwicklung der
modernen Malerei“ (Delphin-Verlag, Mün-
chen und Leipzig), das fich eng an die franzö-
fifche Linie der modernen Malerei hält. Frei-
lich verfucht auch Raphael zu einer allgemein
verbindlichen Formel wenigftens für diefe Linie
des künftlerifchen Schaffens zu kommen, und
fegt als Wert die abfolute Geftaltung ein. Aber
diefes Prinzip ift doch zu einfeitig, um auch nur
eine Äfthetik der Moderne darauf aufzubauen;
dazu ift aus der verzwickten Geheim fprache des
theoretifchen Teils ein unbedingtes Verftändnis
nicht zu gewinnen, und auch im fogenannten
praktifchen Teil ift weder der Ausdruck noch
die Beweisführung zu einer Klarheit gebracht,
die ein dauerndes Mitgehen und ein völliges Ver-

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