Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

DOI issue:
Heft 7
DOI article:
Wolfradt, Willi: Friedrich Ahlers-Hestermann
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0354
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
rnitteilt, die Farben zum Duften bringt, liebenswürdige Motive aller Art ausftreut. Sie
ift eins mit der Stille diefer Kunft.
Das ülerk Adlers*Fjeftermanns ergänzt pd) bei vorwaltender !andfd)aftlid)er Cpematik
nad) mancher Seite pin. Aus dem bisher Angedeuteten erhellt fcpon, welche befondere
Eignung zu ftillebenmäßiger Geftaltung der nahen Dinge in diefer Malerei liegt. Es
gibt da etwa ein Geigenftilleben, mir als erßer Mittler zu Aßlers-ßeftermann befonders
wert, das in der melodiöfen Feinheit und Logik der Kompofition, in der Entwicklung
des Ganzen aus der gefcßwungenen Linie der Violinform heraus auf zurückhaltende
Art tatfäcplid) von befonderer Vollkommenheit ift, und in all feiner Schlichtheit die
Potenz ha*, fld) der Erinnerung einzuweben. Einige Frauenbildniffe haben entfpredjend
fanften Klang, zeugen von haltungsvoller Nachdenklichkeit ausgeglichener Menflhen,
die fich fchlank der Kurvatur des Umgebenden einordncn. Aud) ^ier in der Äuffaffung
wie im Cechnifchen eine facht fließende Befchaulichkeit, eine läffige Idyllik des Sid)-
abgefundenhabens, eine rare Kultiviertheit der Gefte. Und es kann nicht Wunders
nehmen, daß der Künftter fchließlid) mit einigen öüandmalereien arkadifcpe Figurationen
und leicht ironifd) gefärbte Opernfzenen gegeben hat, in denen pch Schwind und
tüatteau, Poelenburgh, italienißhe Majolikateller und Bonnard zu berühren fd)einen,
mit fehr anmutigem Refultat. Man gewahrt dem idyllifdjen Spiel hier eine fpöttifche
Kontrolle beigegeben, die überhaupt nicht uncharakleriftifd) für die Perfönlid)keit
unferes Künftlers erfd)eint. Hinter dem vorher bezeichneten Schaffen treten übrigens
diefe feflr gefchmackvollen Einfälle trotj ihrer marionettenhaften 3ufpit|ung als minder
hedeutfam zurück.
Herkunft, KJerden und Lebensform des Künftlers kann in diefem Falle mit wohl be-
fonders gutem Sinn zur Erkenntnis feines Schaffens herangezogen werden. Denn einmal
ift der wählerifche Eklektizismus in ganz anderer fcüeife Produkt der Lebensumftände,
Eindrücke und Anregungen, als etwa der fchroffe, elementare Ausbruch bildungslofer
Genialität; ferner aber liegt diefem vorzüglichen Beobachter feiner felbft wie der Um-
welt alles Biographifche am Herzen. Es befteht nämlich der feltene Fall, daß ein
ganz unliterarifd), durchaus betrachtend malender Künftler zugleich Schriftfteller von
Rang ift, und zwar Kunftfd)riftfteller, dem nicht allein etliche monographifche Studien
über feine verftorbenen Freunde und eine entzückende Darftellung des Parifer Fauves-
Kreifes im cafe du döme zu danken pnd, fondern einige Bildanalyfen überdies von
einer nicht alltäglichen Sorgfalt der Beobachtung. Diefe Bekundungen der Feder
flehen hinter denen des Pinfels nicht zurück und pnd infofern ein Seitenftück zu
ihnen, als Ahlers-Heftermann auch hier eine unverfcprobene Gelaffenheit, echte Sd)il-
dererfreude an allem Farbigen und eine unendlich anmutige Gelockertheit und zugleich
Gefcpmackspcherheit an den Cag legt, wobei ein Anflug von fubtiler Bosheit und Selbfl-
ironie nicht fehlt. Stiliftifch haben diefe Auffäße1 den Vergleich mit einem Chomas Mann
nicht zu fcheuen; und von zünftigen Kunftfchriftftellern wüßte ich heute keinen zu
nennen, der fo feffelnd und unaufdringlich in die Lebensathmofphäre feiner Helden zu
geleiten verftünde.
3u Hamburg im Japre 1883 geboren, fchon vom Vater mit deffen Lieblingen Richter
und Schwind vertraut gemacht, bald entßhloffen, Maler zu werden, kam Ahlers-Hefler-
mann auf Lidflwarks Betreiben zu dem nicht eben parken, aber unakademifchen und
feinen Imprefponiften Siebelift. Ciefer wird ihn langjährige Freundfchaft mit dem alten
Gefährten Liebermanns, dem wunderlichen, frißhen Chomas Herbft gefördert haben,
dem einer der zitierten Auffätje gewidmet ift. Schon damals verband ihn enge Ka-
meradfehaft mit den inzwifdjen als Opfer des Krieges dahingerafften jungen Hamburger
Malern Nölken und Rofam, die denn auch mit ihm 1907 nach Paris gingen und [päter
ebenfalls bei Matiffe gearbeitet haben. Dort in Paris bildete pch jener bunte Kreis

1 Vgl. Genius I, Kunft und Künßler XIV—XVII, ufw.

330
 
Annotationen