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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Wolfradt, Willi: Einige Federzeichnungen Johann Christian Reinharts
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0109
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DER GRAPHIKSAMMLER
Unter der Leitung von Dr. Erich Wiese, Leipzig, Fockestraße 511

Einige Federzeichnungen Johann Chriftian Reinharts
Mit fünf Abbildungen auf drei Tafeln Von WILLI WOLFRADT
Schillers Freund Reinbart1, der plöfelicß 5eimat und Erfolge im Stic!) ließ und nad)
( Rom ging, um faft fecßzig Jahre, bis zum Code, dort zu bleiben und nad) Deutfcß-
land nicßt meßr zurückzukeßren, — [ein 6Uerk, das von diefem Scßickfal und der
typifcßen Geiftesmifcßung deutfcßen Künftlertums vor der romantifcßen Blendung fo
klares 3eugnis ablegt, ift ßeute wieder aus der Vergeffenßcit gehoben. Eine der
ftärkften Figuren aus zwar allzu gering gefcßäfeter, dod) freilid) bildkünftlerifd) nicht
eben glanzvoller 3^it deutfcßer Malerei und Segnung, beginnt Reinbart wieder auf-
zuleben, als Mittelglied zwifcßen einem Adam Elsßeimer und der deutfcß-römifdjen
Landfchaftsmalerei der Kocßfcßule, als glücklicher Repräfentant jener internationalen
Ideallandfcßaft und kompofitionell ausgeftalteten Redoute arkadifd)er Prägung, von der
fiel) die ßerbe und kühne Kunft der romantifchen 3ßit deutlich abhebt. Seine frühe
Art fteht noch weniger deutlich vor Augen. 1761 zu PJof geboren, erft Ujeologe,
dann Schüler Oefers und Klengels, kommt Reinhart 1786 zu dem ßerzog von Mei-
ningen, deffen Freundfchaft ihn jedoch nur zwei Jahre lang feftzuhalten vermag. 1789
fehen wir den Künftler in Rom, gewiß nicht affimiliert, fondern als 3entrum der dor-
tigen deutfd)en Künftlerkolonie, eine auffallend germanifd)e Erfcßeinnng von klafßfcßer
Sicherheit und Bewußtheit des Kiefens, unverzehrt von ßeimweh, gefeffelt nur durch
die wohltuende Form der italifcßen Natur, beruhend in der eigenen Perfon.
In Rom erfährt fein Stil alsbald eine bedeutfame Umwandlung, indem das bisher
vorwiegende boüändifcße Gepräge (dem allerdings, entfpreeßend dem Vorbilde der
Both und Berghem, ein füdlicßer Einfd)lag von vornherein nicht fehlte) fid) hier verlor
und der geftufte Aufbau, die betonte Körperlichkeit, die entfeßiedene Sonderung nach
Fjelligkeitswerten, eine getragene Bühnenmäßigkeit römifchen Cemperaments vorzuwalten
begann. Staffage, Fläd)endispofition und Modellierung hat>en nun eine gewiffe ßar-
monifche Größe, die mehr als das rein Motivifcße den Boden bezeugt, auf dem fie
erwächft. Denn eigentümlicherweife und trofe dem Vedoutencßarakter des Radierwerks
bleibt die füdlidje Vegetation fo gut wie ausgefchloffen von der Landfchaft Reinharts,
es herrfd)t vielmehr eine bufeßig ausgebreitete Laubfülle über knorrigen Stämmen
weiter vor, und die mächtigen Bäume, die nach wie vor feine Szene mit großen Ge-
bärden beßerrfeßen, feßeinen ein deutfeßes Element dem meßr oder weniger pouffinesken,
claudifcßen Gefamtd)arakter einzufcßmelzen. Für feine trefflich durchgebildeten und
important gefegten Bäume rühmten den Künftler bereits feine 3eÜ9enoffen; Pe bilden
woßl aueß für uns in ißrer plaftifcßen Üppigkeit und markigen Durchbildung das
eigentlich Anziehende und Befondere an der Art Reinharts.
Nacß abgefcßloffener Reifung feiner Kunft in der Sonne Roms verliert fie an Innig-
keit und Vitalität meßr und meßr, wird zur Virtuofität vehementer Landfcßaftsgrup-
pierung und faft profeig-trockener Durcharbeitung der Laubmaffen. Erfindung geht ißm
immer mehr über Empfindung. Die klare Fjarmonie, die mit feltenem und gewiß nicßt
unperfönlicßem Gelingen Idyllifcßes epifcß zu [teigem vermochte und den Reichtum
1 Literatur: O. Baifcß, „Job. Cßr. Reinbart und feine Kreife“, 1882. — Licßtenberg-Jaffe, „bän-
dert Jabre deutfeß-römifeßer Landfchaftsmalerei“, 1907. — R. Oldenbourg, „Jobann Cbr. Reinbart“,
in 3tfcbr. f. bild. Kunft, 1917. — P. F. Schmidt, „Deutfcße Landfcßaftsmalerei von 1750—1830“,
Müncßen 1922. — KI. Ceupfer, „J. Cbr. Reinbarts Landfcßaftsradierungen“, in Cicerone 1922 u. a. m.

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