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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924

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Mayer, August Liebmann: Die Kathedrale von Leon
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0141

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Die Kathedrale von Leon

Von AUGUST L. MAYER
Mit drei Tafeln

Die Kathedrale von Leon S. Maria de Regia führt mit Recht den Beinamen „Pul-
d)ra Leonina“. Sie ift nicht nur die fchönfte gotifche Kirche in Spanien, fondern
kann [ich mit den edeiften Erzeugniffen franzöfifcher Gotik überhaupt in eine
Reihe [teilen. Von jeher ift die wunderbare Klarheit ihrer Konftruktion und die Fein-
heit ihrer Ausführung gerühmt und find die 3ufammenhänge mit den Kathedralen von
Reims und Ämiens erkannt worden. Sie erhebt [ich an der Stelle römifcher Chermen
und eines Pala[tes Ordonos II. Der Grund[tein wurde wohl [ct)on 1198 gelegt, aber
er[t nach 1250 der Bau energi[ch weitergeführt und Ende des 14. Jahrhunderts be-
endet. Neben Spaniern wie Pedro Ceprian und Juan de Badajoz wird vor allem auch
ein Franzofe als Architekt genannt, Guillen de Rohan. Aber diefe Angaben find nicht
recht gefiebert. Vor allem war der fetjon 1175 erwähnte Cebrian, Baumeifter der alten
Kathedrale. Der von Martinez Sanz und Carl Jufti (Miscellaneen I. 10) genannte Meifter
Enrique, der 1277 in Burgos [tarb, \)at die Arbeiten an der dortigen Kathedrale ge-
leitet, ift aber als Schöpfer des Baues von Leon in keiner Uleife dokumentarifd)
nachweisbar.
Es ift eine Kirche mit dreifchiffigem Langhaus, Quer[d)iff mit fel)r kurzen Armen,
langgeftrecktem Altarhaus und fünffchiffigem Chor, den ein ümgang mit fünf Kapellen
umfchließt. Das Material ift gelblicher Kalkftein. Der weftlichen FJauptfaffade mit ihren
drei Portalen ift eine FJaUe vorgelagert, die, wie Enlart als erfter beobachtet hat, un-
mittelbar der nördlichen Vorhalle von Chartres nachgebildet hat. Auch die [üdlidje
Querfchiff-Faffade hat drei Portale. Vorhallen und Pforten find mit Skulpturen über-
reich gefchmückt. Die beiden aus vermiedenen Selten ftammenden üürme ftehen an
Bedeutung denen von Burgos weit nach1.
Das Innere ift mit einer Eleganz, Schlankheit, mit feiner kühnen FJöhenentwicklung
wie in der feinen 3ifeiie;ung der Einzelteile der Inbegriff von Gotik. Naturgemäß
fpielen, im Verein mit der vollkommen durchbrochen gebildeten Criforiengalerie, die
großen Maßwerkfenfter, die bis zu 12 m hoch find, eine entfd)eidende Rolle, und der
Eindruck diefer Gebilde mit den Glasmalereien des 13. und frühen 16. Jahrhunderts
bleibt unvergeßlich-
Es [ollen uns hier aber weniger die baulichen Einzelheiten befdrmftigen als vielmehr
verfchiedene Ceile des plaftifchcn Schmuckes. Ähnlich wie der Dom von Burgos ift
diefe Kathedrale ein wahres Mufeum franzöfifcher frühgotifcher Skulptur. (Denn in
neuefter 3eit Kingsley Porter auch die Tätigkeit der franzöfifchen Gotiker in Leon
zum großen Ceil darauf hat zurückführen wollen2 3, daß Leon an der Pilgerstraße nach
Santiago liegt, fo [meint mir diefe Erklärung etwas gezwungen. Es wäre dann jeden-
falls auffallend, daß weiter weftlict) von Leon diefe Tätigkeit der franzöfifchen Gotiker
[ich mdÄ fortfe^t, wohl aber ihre Spuren füdlich von Burgos zu verfolgen find. Da-
gegen ift ein gewiffer 3ufammenhang zwifdjen dem franzöfifchen Atelier in Burgos
und dem der Domhütte von Leon nie geleugnet worden. Vor allem ift das [üdlicbe
Mittelportal in Leon eine freie Kopie der Puerta del Sarmental der Kathedrale von
Burgos. Aber bereits hier zeigt fiel) in Einzelheiten der Generationsunterfchied der
Künftler. Man beobachtet [d)on jene Verniedlichung, jene ftärker malerifche Einteilung,
wie fie feit der (Dende zum 14. Jahrhundert fiel) immer deutlicher ausprägt. Alles ift
bewegter, weicher, fließender geworden. Auf die fjauptftücke des plaftifcßen Schmucks

1 Vgl. aud) die zweibändige Monographie: Demetrio de los Rios y Serrano, La Catedral de
Leon. Madrid 1895 und Lamperez, bistoria de la Hrquitectura Cristiana Esp. etc. II. 231 ff.
3 Romanesque Sculpture on tbe Pilgrimage Roads. Bofton 1923.

Der Cicerone, XVI. Jal)rg., geft 3

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