Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 16.1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.41564#0163
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Raphael, Max: Über Johann von Tscharner
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Aber er meidet aud) die großen Ojemata und die gegenftändlid)e Mannigfaltigkeit. Ein
fjaus im Grünen, ein Kind auf dem Stul)l genügt ißm. Er will zeigen, was das ift —
ein fjaus, wenn man nid)t abmalt, fondern von dem Gegebenen foweit wie möglich)
fortzukommen fudjt. Man muß die Cüeite des Geftaltungsweges Cfdjarners begriffen
haben, um ißn zu verfteßen und zu beurteilen. Cfdjarner geh>t ißn als Maler. Es war
mir ein ftarker Eindruck, fein Skizzenheft zu feßen. Es ift gefüllt mit 3eicbnungen,
die man im Jargon kubiftifd) nennen würde: von Linien, die in geometrifcber Strenge
Flächen begrenzen und in räumlicher Schichtung die Struktur des Bildes aufbauen. Es
find klare fefte Gefüge voll intellektueller 3ud)t. Diefe Gefüge find im Bild, aber [ie
find unfichtbar gemacht durch eine rein aus der Farbe entwickelte Oberfläche. Cfdjarner
hat die Kraft, zu vergeffen. Er kann das konftruktive Gerüft melodifch machen durch
Farbe in Licht und Schatten. Alles Graphifche (ganz befonders alles Fjolzfcbnittmäßige)
ift überwunden. SelbftverftändlicI), daß die Photographien — wie gut fie aud) fein
mögen — völlig verfagen und den malerifchen Catbeftand verfälfd)en.
Alfo: ein großer Maler? Id) tyabe keinen Grund zu übertreiben1. Id) habe -— um
den Ein- und Anwürfen gerecht zu werden — mich und die Bilder ftreng geprüft,
id) bin mir aller Grenzen fehr bewußt. Aber id) muß dabei bleiben: wenn die großen
Fanfaren und Crompeten abgeblafen fein werden, wenn es fiel) rächen wird, daß man
vergeffen l)aL O)eorien und Abfid)ten mit auf die Leinwand zu fd)reiben, wenn auch
die ungeduldigfte Neuerungsfud)t unter dem Schutt des nur hiftorifd) Intereffanten be-
graben fein wird, dann wird Cfcharner noch immer als einer der beften Kleinmeifter
unferer 3eit eine gute und lebendige Figur machen.
1 Diefe Notizen follen nur hinweifen auf die beiden Hbfcbnitte über Cfdjarner in meinem Buche
„Idee und Geftalt“ S. 41 ff. und S. 88 ff.
Jol). üüilb. Meil. 3Gid)nung.
fjaus im Grünen, ein Kind auf dem Stul)l genügt ißm. Er will zeigen, was das ift —
ein fjaus, wenn man nid)t abmalt, fondern von dem Gegebenen foweit wie möglich)
fortzukommen fudjt. Man muß die Cüeite des Geftaltungsweges Cfdjarners begriffen
haben, um ißn zu verfteßen und zu beurteilen. Cfdjarner geh>t ißn als Maler. Es war
mir ein ftarker Eindruck, fein Skizzenheft zu feßen. Es ift gefüllt mit 3eicbnungen,
die man im Jargon kubiftifd) nennen würde: von Linien, die in geometrifcber Strenge
Flächen begrenzen und in räumlicher Schichtung die Struktur des Bildes aufbauen. Es
find klare fefte Gefüge voll intellektueller 3ud)t. Diefe Gefüge find im Bild, aber [ie
find unfichtbar gemacht durch eine rein aus der Farbe entwickelte Oberfläche. Cfdjarner
hat die Kraft, zu vergeffen. Er kann das konftruktive Gerüft melodifch machen durch
Farbe in Licht und Schatten. Alles Graphifche (ganz befonders alles Fjolzfcbnittmäßige)
ift überwunden. SelbftverftändlicI), daß die Photographien — wie gut fie aud) fein
mögen — völlig verfagen und den malerifchen Catbeftand verfälfd)en.
Alfo: ein großer Maler? Id) tyabe keinen Grund zu übertreiben1. Id) habe -— um
den Ein- und Anwürfen gerecht zu werden — mich und die Bilder ftreng geprüft,
id) bin mir aller Grenzen fehr bewußt. Aber id) muß dabei bleiben: wenn die großen
Fanfaren und Crompeten abgeblafen fein werden, wenn es fiel) rächen wird, daß man
vergeffen l)aL O)eorien und Abfid)ten mit auf die Leinwand zu fd)reiben, wenn auch
die ungeduldigfte Neuerungsfud)t unter dem Schutt des nur hiftorifd) Intereffanten be-
graben fein wird, dann wird Cfcharner noch immer als einer der beften Kleinmeifter
unferer 3eit eine gute und lebendige Figur machen.
1 Diefe Notizen follen nur hinweifen auf die beiden Hbfcbnitte über Cfdjarner in meinem Buche
„Idee und Geftalt“ S. 41 ff. und S. 88 ff.
Jol). üüilb. Meil. 3Gid)nung.