Die prachtvollen, nahezu unberührten Räume des Unteren Belvederes und die
dekorative Lebensfülle der unterzubringenden Kunstwerke haben im Barock-
museum diese Aufgabe erleichtert; im Oberen Belvedere kann sie nur andeu-
tend gelöst werden, da die Werke des neunzehnten Jahrhunderts hier in viel
höherem Maße Eigenbeachtung fordern. Immerhin konnte wenigstens an ein-
zelnen Stellen — im Fügersaal, im Makartsaal, in den Waldmüllerräumen
usf. — verdeutlicht werden, worauf es ankommt, nämlich auf die Schaffung
der möglichst günstigen Wirkungsbedingungen für jedes Kunstwerk. Diesen
künstlerischen Standpunkt, der dem unmittelbaren Bedürfnis des größten
Publikums dienen will, stellt die Direktion der Galerie über den für den Kreis
fachlich Interessierter in Betracht kommenden der wissenschaftlichen Syste-
matik; sie ist der Ansicht, daß es für den Fachmann leichter ist, sich den
entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zu konstruieren als dem Laien,
einen künstlerischen Eindruck — wenn er einmal gestört ist — zu gewinnen.
Und deshalb ist — wie im Unteren Belvedere — wieder versucht, jeden Saal
als Einheit zu isolieren, d. h. die retardierenden Momente zu verstärken, die
dem forttreibenden Element der musealen Saalfluchten entgegenwirken und
den Beschauer zu beruhigtem Verharren veranlassen sollen.
Aus dem gleichen Grunde ist eine sehr strenge qualitative Auswahl geübt
und nur das Allerbeste zur Aufstellung gebracht worden. Das Material, das
dabei zur Verfügung stand, war ein sehr großes, da, dem obersten Grundsatz
der Neuorganisation unserer Museen entsprechend, alles Hergehörige hier ver-
einigt worden ist; die Bestände der ehemaligen Staatsgalerie sind durch die
der einstigen modernen Abteilung der Gemäldegalerie des kunsthistorischen
Museums und der Akademie der bildenden Künste sowie solche von sonstigen
staatlichen Stellen und durch einzelne Leihgaben aus Privatbesitz bereichert
worden; dazu kommen die zahlreichen Neuerwerbungen, die die Galerie im
Laufe der letzten Jahre in der Stille gemacht hat. Aus diesen Tausenden von
Objekten sind hunderte ausgewählt worden; das quantitative Prinzip ist mit
größter Energie durch das qualitative ersetzt worden. Den Hauptgewinn hier-
von hat die Darstellung der österreichischen Kunst gezogen, die — naturgemäß
in einer Österreichischen Galerie — im Mittelpunkt steht, jedoch nicht nach
lokalen Interessen, sondern nach allgemeineren Wertmaßstäben behandelt
wurde. Das Überwuchern des Lokalen, das in den meisten modernen Galerien
das Niveau so erschreckend drückt, sollte vermieden werden; die öster-
reichische Kunst soll — gewiß hier breiter vertreten als irgendwo in der Welt —
nur gezeigt werden, soweit sie europäische Qualität besitzt. Durch das Aus-
scheiden des Schwächeren, das ein übereifriger Lokalpatriotismus bisher
immer mitgeführt hatte, wurde der österreichischen Kunst und speziell der
Wiener Malerei des neunzehnten Jahrhunderts ein außerordentlicher Dienst
geleistet; denn nun entfaltet sich ihre hohe Qualität, die sie an die Spitze der
deutschen Kunst dieser Zeit stellt. Denn — ohne an eine unfruchtbare Ver-
gleichung der individuellen Qualitäten zu denken — eine geschlossene Ent-
wicklungsreihe, wie sie die Wiener Malerei von Füger bis Pettenkofen dar-
stellt, kann keine andere deutsche Schule aufweisen. In den siebziger Jahren
verebbt diese reiche Flut, Makart und Canon, C. L. Müller und J. E. Schindler
stellen ein gleißendes Abendrot vor noch tieferer Dämmerung dar. Gerade in
den Jahrzehnten, in denen die deutsche Kunst des neunzehnten Jahrhunderts
einige ihrer stärksten Persönlichkeiten hervorgebracht hat, ist Wien und
Österreich fast völlig unfruchtbar. In den Jahrzehnten davor aber hält sich
die künstlerische Tätigkeit, von dem gewaltigen barocken Unterbau getragen,,
auf ansehnlicher Höhe.
28
dekorative Lebensfülle der unterzubringenden Kunstwerke haben im Barock-
museum diese Aufgabe erleichtert; im Oberen Belvedere kann sie nur andeu-
tend gelöst werden, da die Werke des neunzehnten Jahrhunderts hier in viel
höherem Maße Eigenbeachtung fordern. Immerhin konnte wenigstens an ein-
zelnen Stellen — im Fügersaal, im Makartsaal, in den Waldmüllerräumen
usf. — verdeutlicht werden, worauf es ankommt, nämlich auf die Schaffung
der möglichst günstigen Wirkungsbedingungen für jedes Kunstwerk. Diesen
künstlerischen Standpunkt, der dem unmittelbaren Bedürfnis des größten
Publikums dienen will, stellt die Direktion der Galerie über den für den Kreis
fachlich Interessierter in Betracht kommenden der wissenschaftlichen Syste-
matik; sie ist der Ansicht, daß es für den Fachmann leichter ist, sich den
entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zu konstruieren als dem Laien,
einen künstlerischen Eindruck — wenn er einmal gestört ist — zu gewinnen.
Und deshalb ist — wie im Unteren Belvedere — wieder versucht, jeden Saal
als Einheit zu isolieren, d. h. die retardierenden Momente zu verstärken, die
dem forttreibenden Element der musealen Saalfluchten entgegenwirken und
den Beschauer zu beruhigtem Verharren veranlassen sollen.
Aus dem gleichen Grunde ist eine sehr strenge qualitative Auswahl geübt
und nur das Allerbeste zur Aufstellung gebracht worden. Das Material, das
dabei zur Verfügung stand, war ein sehr großes, da, dem obersten Grundsatz
der Neuorganisation unserer Museen entsprechend, alles Hergehörige hier ver-
einigt worden ist; die Bestände der ehemaligen Staatsgalerie sind durch die
der einstigen modernen Abteilung der Gemäldegalerie des kunsthistorischen
Museums und der Akademie der bildenden Künste sowie solche von sonstigen
staatlichen Stellen und durch einzelne Leihgaben aus Privatbesitz bereichert
worden; dazu kommen die zahlreichen Neuerwerbungen, die die Galerie im
Laufe der letzten Jahre in der Stille gemacht hat. Aus diesen Tausenden von
Objekten sind hunderte ausgewählt worden; das quantitative Prinzip ist mit
größter Energie durch das qualitative ersetzt worden. Den Hauptgewinn hier-
von hat die Darstellung der österreichischen Kunst gezogen, die — naturgemäß
in einer Österreichischen Galerie — im Mittelpunkt steht, jedoch nicht nach
lokalen Interessen, sondern nach allgemeineren Wertmaßstäben behandelt
wurde. Das Überwuchern des Lokalen, das in den meisten modernen Galerien
das Niveau so erschreckend drückt, sollte vermieden werden; die öster-
reichische Kunst soll — gewiß hier breiter vertreten als irgendwo in der Welt —
nur gezeigt werden, soweit sie europäische Qualität besitzt. Durch das Aus-
scheiden des Schwächeren, das ein übereifriger Lokalpatriotismus bisher
immer mitgeführt hatte, wurde der österreichischen Kunst und speziell der
Wiener Malerei des neunzehnten Jahrhunderts ein außerordentlicher Dienst
geleistet; denn nun entfaltet sich ihre hohe Qualität, die sie an die Spitze der
deutschen Kunst dieser Zeit stellt. Denn — ohne an eine unfruchtbare Ver-
gleichung der individuellen Qualitäten zu denken — eine geschlossene Ent-
wicklungsreihe, wie sie die Wiener Malerei von Füger bis Pettenkofen dar-
stellt, kann keine andere deutsche Schule aufweisen. In den siebziger Jahren
verebbt diese reiche Flut, Makart und Canon, C. L. Müller und J. E. Schindler
stellen ein gleißendes Abendrot vor noch tieferer Dämmerung dar. Gerade in
den Jahrzehnten, in denen die deutsche Kunst des neunzehnten Jahrhunderts
einige ihrer stärksten Persönlichkeiten hervorgebracht hat, ist Wien und
Österreich fast völlig unfruchtbar. In den Jahrzehnten davor aber hält sich
die künstlerische Tätigkeit, von dem gewaltigen barocken Unterbau getragen,,
auf ansehnlicher Höhe.
28