Es entspricht der hier vorherrschenden monumentalen Kunstgeschichtsauf-
fassung, daß die führenden Meister zu möglichster Eindringlichkeit heraus-
gearbeitet werden, die sie verbindenden kleineren Künstler eine bloße Beglei-
tung bilden. Gleich Füger setzt mit einer prachtvollen Sonderkollektion ein,
die großenteils Bildnisse und Miniaturen aus der Frühzeit umfaßt; zu den
berühmten Familienbildnissen der Akademie und der ehemaligen kaiserlichen
Galerie haben sich seit einem Jahre zwei besonders leicht gemalte Doppel-
porträts, angeblich aus der gräflichen Familie Thomassini, gesellt. Fügers
Nachfolger als Porträtist der vornehmen Wiener Gesellschaft ist Friedrich
von Amerling, gleich jenem fast nur in den Jugendwerken von der Frische,
die die mondäne Praxis dann lähmte. Aus dieser Zeit sind der Galerie drei
Hauptwerke zugewachsen, das Bildnis Kaiser Franzi, in preußischer Generals-
uniform, dessen Absendung nach Berlin die Kaiserin 1834 verhinderte, weil
sie den Gemahl zu alt und mürrisch fand, das Porträt der Frau von Striebel
von 1838 (als Leihgabe) und das große Arthabersche Familienbild von 1837.
Das bürgerliche Gegenstück zu Amerling bildet Waldmüllers Bildniskunst; wie
auf jedem von ihm versuchten Gebiet ragt der Meister auch hier über seine
Genossen hinaus. Von den kleineren Meistern sind Eybl, Krafft, Kreuzinger,
Kurzbauer zu nennen, von den Vertretern einer neuen Generation Hans Canon,
der gerade auf diesem Gebiete seinen Zug ins Rubenshafte einer packenden
Unmittelbarkeit zuliebe überwindet. Romakos Doppelbildnis von Reinhold
Begas und Frau bringt ein internationales Parfüm in die bodenständige Art.
Das Lieblingsfeld der Alt-Wiener Malerei ist aus vielerlei Gründen bekannt-
lich das Sittenbild gewesen. Hier umkreisen verschiedene kleinere Gestirne
Waldmüllers Sonne; unter ihnen stehen uns Heutigen Peter Fendi und sein
genialer, als 21 jähriger gestorbener Schüler Karl Schindler am nächsten. Den
Letztgenannten, der mit seinen blumig gemalten Ölbildern und seinen licht-
sprühenden Aquarellen zum Gemeingut des deutschen Volkes zu werden ver-
dient, hat die Galerie systematisch gesammelt; das Interesse, das seine und
Fendis duftige Aquarelle bei der Börner Auktion im Frühling erregten, beweist,
wie sehr diese kultivierte und geschmackvolle Malerei in ihrer überlokalen
Bedeutung erkannt zu werden beginnt. Sodann das innerlich so verwandte,
in der Laufbahn so verschiedene Paar Danhauser und Schwind, die sich von
einem gemeinsamen Boden in entgegengesetzter Richtung entwickelten, der
eine zum Maler des Wiener Bürgertums, der andere zum großen deutschen
Romantiker. Diese Seite — durch den Melusinenzyklus ohnedies glänzend ver-
treten — ist durch die Erwerbung der „Schifferin“ aus dem Besitz von
Schwinds Tochter noch verstärkt worden; die mondscheinumflossene junge
Frau im treibenden Kahne — es ist die Baronin Spaun, die Gattin von
Schwinds Jugendfreund Joseph von Spaun — wirkt wie die Fee der Romantik
schlechtweg. Von hier ein Schritt zu den Nazarenern, deren österreichischer
Meister Führich, mit farbig schönen Frühwerken erscheint; neben dem
Patriarchen ein Jüngling, der mit 26 Jahren verstorbene Johann Scheffer von
Leonhardshoff, dessen sterbende heilige Cäcilia nicht nur durch die Anleh-
nung an Stefano Madernos Statue in S. Cecilia in Rom so barock wirkt, son-
dern auch das Herauswachsen aus der Tradition der Heimat.
Das Ende der Alt-Wiener Malerei ist Pettenkofen; er stammt aus ihr, aber
empfindet sie als Enge; er sucht den Anschluß an die stärkeren Strömungen
in der gleichzeitigen europäischen Kunst. Was neben ihm steht und nach
ihm kommt, steht auf grundsätzlich anderem Boden; Makart, Canon, Romako,
Charles Schuch, denen je ein Saal gewidmet ist, tragen schon das Kainszeichen
des isolierenden Individualismus an der Stirne. Mit ihnen wird die Wiener
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fassung, daß die führenden Meister zu möglichster Eindringlichkeit heraus-
gearbeitet werden, die sie verbindenden kleineren Künstler eine bloße Beglei-
tung bilden. Gleich Füger setzt mit einer prachtvollen Sonderkollektion ein,
die großenteils Bildnisse und Miniaturen aus der Frühzeit umfaßt; zu den
berühmten Familienbildnissen der Akademie und der ehemaligen kaiserlichen
Galerie haben sich seit einem Jahre zwei besonders leicht gemalte Doppel-
porträts, angeblich aus der gräflichen Familie Thomassini, gesellt. Fügers
Nachfolger als Porträtist der vornehmen Wiener Gesellschaft ist Friedrich
von Amerling, gleich jenem fast nur in den Jugendwerken von der Frische,
die die mondäne Praxis dann lähmte. Aus dieser Zeit sind der Galerie drei
Hauptwerke zugewachsen, das Bildnis Kaiser Franzi, in preußischer Generals-
uniform, dessen Absendung nach Berlin die Kaiserin 1834 verhinderte, weil
sie den Gemahl zu alt und mürrisch fand, das Porträt der Frau von Striebel
von 1838 (als Leihgabe) und das große Arthabersche Familienbild von 1837.
Das bürgerliche Gegenstück zu Amerling bildet Waldmüllers Bildniskunst; wie
auf jedem von ihm versuchten Gebiet ragt der Meister auch hier über seine
Genossen hinaus. Von den kleineren Meistern sind Eybl, Krafft, Kreuzinger,
Kurzbauer zu nennen, von den Vertretern einer neuen Generation Hans Canon,
der gerade auf diesem Gebiete seinen Zug ins Rubenshafte einer packenden
Unmittelbarkeit zuliebe überwindet. Romakos Doppelbildnis von Reinhold
Begas und Frau bringt ein internationales Parfüm in die bodenständige Art.
Das Lieblingsfeld der Alt-Wiener Malerei ist aus vielerlei Gründen bekannt-
lich das Sittenbild gewesen. Hier umkreisen verschiedene kleinere Gestirne
Waldmüllers Sonne; unter ihnen stehen uns Heutigen Peter Fendi und sein
genialer, als 21 jähriger gestorbener Schüler Karl Schindler am nächsten. Den
Letztgenannten, der mit seinen blumig gemalten Ölbildern und seinen licht-
sprühenden Aquarellen zum Gemeingut des deutschen Volkes zu werden ver-
dient, hat die Galerie systematisch gesammelt; das Interesse, das seine und
Fendis duftige Aquarelle bei der Börner Auktion im Frühling erregten, beweist,
wie sehr diese kultivierte und geschmackvolle Malerei in ihrer überlokalen
Bedeutung erkannt zu werden beginnt. Sodann das innerlich so verwandte,
in der Laufbahn so verschiedene Paar Danhauser und Schwind, die sich von
einem gemeinsamen Boden in entgegengesetzter Richtung entwickelten, der
eine zum Maler des Wiener Bürgertums, der andere zum großen deutschen
Romantiker. Diese Seite — durch den Melusinenzyklus ohnedies glänzend ver-
treten — ist durch die Erwerbung der „Schifferin“ aus dem Besitz von
Schwinds Tochter noch verstärkt worden; die mondscheinumflossene junge
Frau im treibenden Kahne — es ist die Baronin Spaun, die Gattin von
Schwinds Jugendfreund Joseph von Spaun — wirkt wie die Fee der Romantik
schlechtweg. Von hier ein Schritt zu den Nazarenern, deren österreichischer
Meister Führich, mit farbig schönen Frühwerken erscheint; neben dem
Patriarchen ein Jüngling, der mit 26 Jahren verstorbene Johann Scheffer von
Leonhardshoff, dessen sterbende heilige Cäcilia nicht nur durch die Anleh-
nung an Stefano Madernos Statue in S. Cecilia in Rom so barock wirkt, son-
dern auch das Herauswachsen aus der Tradition der Heimat.
Das Ende der Alt-Wiener Malerei ist Pettenkofen; er stammt aus ihr, aber
empfindet sie als Enge; er sucht den Anschluß an die stärkeren Strömungen
in der gleichzeitigen europäischen Kunst. Was neben ihm steht und nach
ihm kommt, steht auf grundsätzlich anderem Boden; Makart, Canon, Romako,
Charles Schuch, denen je ein Saal gewidmet ist, tragen schon das Kainszeichen
des isolierenden Individualismus an der Stirne. Mit ihnen wird die Wiener
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