Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925
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Heft 4
DOI Artikel:Sauerlandt, Max: Die Sammlung Darmstaedter-Berlin
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Die Sammlung Darmstaedter-Berlin
Mit sieben Abbildungen auf zwei Tafeln Von MAX SAUERLANDT
UNSTREITIG ist die Porzellansammlung des Herrn Professor Dr. Ludwig
Darmstaedter, die zu Ende März bei Rudolph Lepke in Berlin zur Ver-
steigerung kommen wird, eine der größten und vornehmsten Spezialsammlun-
gen alten Stiles — vielleicht die letzte ihrer besonderen Art.
Dabei hat die Sammlung durchaus ein eigenes Gesicht, einen klar ausge-
prägten Charakter. Es fehlt ihr die Enge, die Begrenztheit des Ausdrucks,
die solchen sich auf ein einziges Material und auf eine vergleichsweise nur
so kurze Kunstepoche von weniger als hundert Jahren spezialisierenden
Sammlungen so oft anhaftet. Der Eindruck des Reichtums, den die Sammlung
Darmstaedter innerhalb der Beschränkung auf das europäische Porzellan des
18. Jahrhunderts unzweifelhaft hervorruft, beruht nicht nur darauf, daß hier
Einzelfiguren, Gruppen und Geschirre jeder Art von der einzelnen Tasse bis
zum vollständigen Service mit der gleichen Liebe zusammengebracht sind,
er ist viel mehr vielleicht noch eine Folge des wirklich europäischen Charak-
ters der Sammlung: innerhalb der Beschränkung auf ihr Spezialgebiet ist
kaum eine deutsche Porzellansammlung so international in ihren Beständen
wie diese.
Daß dabei den deutschen Manufakturen, und unter den deutschen wieder
Meißen, der Löwenanteil an dem über 600 Einzelstücke umfassenden Besitz
der Sammlung zufällt, versteht sich nicht nur für eine deutsche, eine Berliner
Porzellansammlung von selbst: dieses Zahlenverhältnis entbehrt auch der
inneren Begründung nicht; je weiter unsere Forschung dringt, um so deut-
licher wird die überragende Stellung, die dieser ältesten Manufaktur als der
Stammutter einer weit über Europa verzweigten Familie von Tochter- und
Enkelmanufakturen, von denen viele freilich in bisweilen nur kürzerer Blüte-
zeit eine ganz erstaunlich selbständige künstlerische Produktion entfaltet haben.
Über dem Gewimmel der kleinen Rokokofigürchen, unter denen die Amo-
retten in allerlei Handwerkerverkleidungen in ungewöhnlicher Vielzahl ver-
treten sind, baut sich das klassische Barockporzellan Meißens großartig auf.
Da ist eine ganze Reihe von Krinolinenfiguren Kaendlers: Die Dame mit dem
Mops, die sockellose Dame mit dem Fächer aus der Zweifigurengruppe der
„Kußhand“, Dame und Kavalier mit Ordensband — und auf gleichem Niveau
mit diesen kostbarsten Schöpfungen barocker Profankleinplastik die stolze Folge
von Augustus Rex-Vasen, vor allem der Fünfersatz mit umlaufenden Herold-
chinoiserien, die beiden Flöten mit starkfarbigen, die ungebrochene Fläche
des Vasenkörpers belebenden ostasiatischen Lotosblüten und die Deckelkruke
mit krebsrotem Fond, die Otto Falke soeben im Burlington Magazine als erste
sichere Meißener Arbeit des vielgepriesenen und vielverlästerten Friedrich
Adam von Löwenfinck veröffentlicht.
Von ganz besonderem Reiz ist neben diesen fürstlichen Prunkstücken das
• vornehme Gebrauchsgeschirr im Heroldstil, vor allem das Standplateau mit
Einsatzringen für ein leider nicht ganz vollständig erhaltenes Schokoladesolitäre,
das eine Erklärung für den Gebrauchszweck der niedrigen Doppelhenkelnäpf-
chen mit Durchbruchwandung gibt, die auch in Wien gearbeitet worden sind
und als Träger henkelloser Einsatzbecher aus Porzellan gedient haben.
Von jeher berühmt war der Besitz der Sammlung Darmstaedter an frühem
Du Paquier-Porzellan. Schon in dem vor siebzehn Jahren erschienenen großen
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Mit sieben Abbildungen auf zwei Tafeln Von MAX SAUERLANDT
UNSTREITIG ist die Porzellansammlung des Herrn Professor Dr. Ludwig
Darmstaedter, die zu Ende März bei Rudolph Lepke in Berlin zur Ver-
steigerung kommen wird, eine der größten und vornehmsten Spezialsammlun-
gen alten Stiles — vielleicht die letzte ihrer besonderen Art.
Dabei hat die Sammlung durchaus ein eigenes Gesicht, einen klar ausge-
prägten Charakter. Es fehlt ihr die Enge, die Begrenztheit des Ausdrucks,
die solchen sich auf ein einziges Material und auf eine vergleichsweise nur
so kurze Kunstepoche von weniger als hundert Jahren spezialisierenden
Sammlungen so oft anhaftet. Der Eindruck des Reichtums, den die Sammlung
Darmstaedter innerhalb der Beschränkung auf das europäische Porzellan des
18. Jahrhunderts unzweifelhaft hervorruft, beruht nicht nur darauf, daß hier
Einzelfiguren, Gruppen und Geschirre jeder Art von der einzelnen Tasse bis
zum vollständigen Service mit der gleichen Liebe zusammengebracht sind,
er ist viel mehr vielleicht noch eine Folge des wirklich europäischen Charak-
ters der Sammlung: innerhalb der Beschränkung auf ihr Spezialgebiet ist
kaum eine deutsche Porzellansammlung so international in ihren Beständen
wie diese.
Daß dabei den deutschen Manufakturen, und unter den deutschen wieder
Meißen, der Löwenanteil an dem über 600 Einzelstücke umfassenden Besitz
der Sammlung zufällt, versteht sich nicht nur für eine deutsche, eine Berliner
Porzellansammlung von selbst: dieses Zahlenverhältnis entbehrt auch der
inneren Begründung nicht; je weiter unsere Forschung dringt, um so deut-
licher wird die überragende Stellung, die dieser ältesten Manufaktur als der
Stammutter einer weit über Europa verzweigten Familie von Tochter- und
Enkelmanufakturen, von denen viele freilich in bisweilen nur kürzerer Blüte-
zeit eine ganz erstaunlich selbständige künstlerische Produktion entfaltet haben.
Über dem Gewimmel der kleinen Rokokofigürchen, unter denen die Amo-
retten in allerlei Handwerkerverkleidungen in ungewöhnlicher Vielzahl ver-
treten sind, baut sich das klassische Barockporzellan Meißens großartig auf.
Da ist eine ganze Reihe von Krinolinenfiguren Kaendlers: Die Dame mit dem
Mops, die sockellose Dame mit dem Fächer aus der Zweifigurengruppe der
„Kußhand“, Dame und Kavalier mit Ordensband — und auf gleichem Niveau
mit diesen kostbarsten Schöpfungen barocker Profankleinplastik die stolze Folge
von Augustus Rex-Vasen, vor allem der Fünfersatz mit umlaufenden Herold-
chinoiserien, die beiden Flöten mit starkfarbigen, die ungebrochene Fläche
des Vasenkörpers belebenden ostasiatischen Lotosblüten und die Deckelkruke
mit krebsrotem Fond, die Otto Falke soeben im Burlington Magazine als erste
sichere Meißener Arbeit des vielgepriesenen und vielverlästerten Friedrich
Adam von Löwenfinck veröffentlicht.
Von ganz besonderem Reiz ist neben diesen fürstlichen Prunkstücken das
• vornehme Gebrauchsgeschirr im Heroldstil, vor allem das Standplateau mit
Einsatzringen für ein leider nicht ganz vollständig erhaltenes Schokoladesolitäre,
das eine Erklärung für den Gebrauchszweck der niedrigen Doppelhenkelnäpf-
chen mit Durchbruchwandung gibt, die auch in Wien gearbeitet worden sind
und als Träger henkelloser Einsatzbecher aus Porzellan gedient haben.
Von jeher berühmt war der Besitz der Sammlung Darmstaedter an frühem
Du Paquier-Porzellan. Schon in dem vor siebzehn Jahren erschienenen großen
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