Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI Heft:
Heft 21
DOI Artikel:
Waldschmidt, Ernst: Die uigurisch-chinesische Epoche in der Kunst der Oase von Turfan
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1055

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die uigurisch-chinesische Epoche
in der Kunst der Oase von Turfan
Mit 2i Abbildungen auf 8 Tafeln und 8 Textabbildungen Von ERNST WALDSCHMIDT

1 Der gesperrte Druck dieses und der folgenden Wörter rührt von mir her. W.

DIE Kunst Alt-Kutschas ist uns aus den Höhlen
der Ming-öi von Qyzil bekanntgeworden, aus
Gemälden, die alle der tocharischen Zeit und einem
Stil angehören, welcher nirgends einen ostasiatischen
Einfluß verspüren läßt. An zwei anderen, weniger
ergiebigen Ausgrabungsorten der Umgebung von
Kutscha: Qumtura und Kirisch sind neben Höhlen,
welche stilistisch denen von Qyzil entsprechen, auch
jüngere aufgedeckt worden, die den uigurisch-chine-
sischen Stil zeigen. Es sind dies vor allem die
„Kinnari“- und „Nirvanahöhle“ in Qumtura, die „Höhle
mit dem Preta“ in Kirisch. — Nach einem Bericht
über die Gewölbedarstellungen der letzteren sagt
Grünwedel: „Es ist klar, daß auch diese Darstel-
lungen auf Weiterbildungen der alten Gruppen in
der Gewölbedekoration zurückgehen. Doch erschei-
nen sie hier umkomponiert in ganz anderen Stil-
formen und veränderter Technik. Nirgends bedeckt
hier das Bild die ganze Wand, wie die Bilder der
älteren Art dies tun, welche wie ein bunter Teppich
alles verkleiden, die Ausführung ist auch nicht die minutiöse Untermalung1
mit den in Deckfarbenstil allmählich gerundeten und mit Deckweiß erhöhten
Körperpartien, sondern wir haben hier Konturen vor uns, welche auf die weiße
Wand, von der viel Raum frei bleibt, in schwarzen Konturen flott gezeichnet
und dann mit Farben ausgefüllt sind.“ — Die Gemälde der Höhlen von
Schortschuq, einer weiter östlich, zwischen Kurla und Qaraschar, gelegenen Aus-
grabungsstätte sind ebenfalls im uigurischen Stil gehalten, untermischt mit starken
Reminiszenzen älterer Tradition. Zentrum des uigurischen und Ausstrahlungs-
punkt des ostasiatischen Kunstkreises ist aber das Gebiet der Oase von Turfan.
Uber eine Höhle in Schortschuq macht Grünwedel die Bemerkung: „Die Ge-
mälde dieser Höhle sind nur mit Farben ausgefüllte Konturenzeichnungen. In
der Cella ist die Ausmalung mehr durchgeführt. Im hinteren Gange tritt diese
Ausmalung mehr zurück, und die lebhafte und kühne Tuschezeichnung der Figuren
kann ihren ganzen Reiz entfalten.“ — Taf. i, a umgibt uns sogleich mit dem
Zauber ostasiatischer Darstellungskunst. Wir erblicken die mit wenigen, kräf-
tigen Strichen hingeworfene Gestalt eines die Lüfte durchfliegenden Engels. Die
ungebundene Heiterkeit eines aller Erdenschwere enthobenen Wesens kommt
glücklich zum Ausdruck. Der nach oben zurückgebogene Unterkörper ist hinten
ganz in fliegende Gewänder aufgelöst, deren Schwung die lang flatternden Tücher
des Obergewandes in hoch hinaufwehenden Linien verstärken. Die Entwicklung
dieser himmlischen Wesen aus antiken Nikedarstellungen, in genauer Parallele
zu den christlichen Engeln, macht die dahinschwebende Gottheit der Textabb. i
deutlich, während Textabb. 2 eine unserer Abbildung ähnliche Gottheit zeigt,



1023
 
Annotationen