RUNDSCHAU
Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
„Das junge Rheinland“ / Adolf
Küthe / Oscar Nerlinger / Adriaan
Lubb ers.
Der Begriff der lokalen Malerschule löst
sich mehr und mehr auf, im direkten Ver-
hältnis zum Wachsen der illustrierten
Kunstliteratur und gemäß der Erleichterung
von Verkehr und Versand zwischen den
Städten. Während der Name Düsseldorf
noch vor kaum hundert Jahren ein stilisti-
sches Programm bedeuten konnte, dessen
akademische Ausläufer erst gestern ganz
verschwanden, — während sogar noch vor
einem Jahrzehnt unter den beschränkenden
Umständen der Zeit die junge rheinische
Kunst eine durch ihre unverkennbare Son-
dernote festbegrenzte Provinz der Moderne
war, — erscheint heute dies Moment geo-
graphischer Bindung so gut wie aufgeho-
ben, zumal bei den jetzt in ihrem Beginn
Stehenden. Die in der Hauptsache nach
Düsseldorf zuständige Malergruppe „Das
junge Rheinland“, deren Mitgliedern die
„Berliner Sezession“ ihr Fünfzimmerdomi-
zil eingeräumt hat, wirkt in keiner Hinsicht
als geschlossene Einheit. Es möchte ins-
besondere schwer halten, eine bestimmte
örtliche Eigenart durchgehends aufzuzei-
gen. Und da auch keine bündlerische Ge-
meinsamkeit der Idee, kein frontaler Ge-
samtwille sich ausprägt, so verteilt sich das
Interesse sofort an mehrere einzelpersön-
liche Eindrücke. Diese Konstatierung, die
gewiß keinen Vorwurf enthalten soll,
scheint die Veranstaltung solcher lokal de-
finierter Gruppenausstellungen als über-
flüssig abzuweisen, und sicherlich käme
den nach Ausdrucksprinzipien, unter einem
stilistischen Motto zusammengestellten
Übersichten, wie sie leider fast völlig man-
geln, eine weit höhere Bedeutung zu. An-
drerseits aber zeigt es sich, daß die ohne-
dies überfüllten großen Sammelaktionen
der Akademie und der „Juryfreien“ die Auf-
gabe nicht bewältigen können, die aller-
orten lebendige Produktion mit dem haupt-
städtischen Zentrum in Fühlung zu brin-
gen. So begegnet Berlin z. B. im Kreise
dieser Jungdüsseldorfer lauter neuen Ge-
sichtem, und es erhellt, daß rein orga-
nisatorisch, als zuführende Einrichtungen,
solche Ortsriegenexkursionen ihren guten
Sinn haben. Wollte die „Sezession“ syste-
matisch Provinzvereinigungen einladen, so
würde sie sich um die Regeneration des
öffentlichen Kunstwesens ernstlich verdient
machen und gewiß am eigenen Leibe die
Auffrischung glücklich verspüren.
Schreitet man den Zirkel des „jungen
Rheinland“ aus, so haftet das zunächst
durch all die neuen Physiognomien und
eine gewisse allgemeine Stimmung der zu-
greifenden Unbekümmertheit erregte Inter-
esse doch nur an einigen Stellen. Der nicht
sehr auffällige Fritz Feigier erscheint
menschlich wie malerisch als der Reifste;
neben dem locker und mit heiterer Lebhaf-
tigkeit konterfeiten Musikpädagogen sah
man die knochige Gestalt eines bärtigen
Arbeiters, unbedingt wahr in der Einfach-
heit des Dastehens, in keiner Weise ten-
denziös oder pathetisch hergerichtet. Auch
Karl Schwesig überzeugt im Bildnis, ob-
wohl er in der Charakteristik wie im Pig-
ment etwas zäher ist; seine Radierungen
fesseln durch einen dezidierten, harten Um-
riß, dessen Konzentration freilich oft ge-
stört wird durch literarische Akzente und
„mysteriöse“ Anbringsel. Auch dem Füh-
rer der Schar und ihrem offenbar unge-
stümsten Talent, Gert Wollheim, scha-
det die Sucht, novellistisch zu geheimnis-
sen. Seine Zeichnungen lassen es sich an
einem ziemlich nichtssagenden Gekritzel
genügen, für das dann ein recht interessan-
ter Titel (etwa „O Artemis, aber der
Mensch“) erfunden wird. Aber das Verlan-
gen nach merkwürdigen Inhalten darf als
Zeichen geistiger Selbständigkeit gelten, wo
ihm eine eigenwüchsige Ausdrucksweise
entspricht. Wollheims schlackig verstriche-
ne, spontan hingepastete Malerei, aus deren
finsteren Gründen bunte Figuren geistern, be-
stätigt die inhaltliche Seltsamkeit der Szenen.
Mitunter erinnert sie an Meidners Anfänge,
ist aber ohne deren dynamischen Rausch.
Wie Wollheim den hutzligen Säugling
gelbbraun zwischen die weiße Fähigkeit
der Kissen packt, wie er das Brunstgewühl
des Schäfers, den tierischen Brodern der
Schlafkammer, das dumpfe Stoßen des
Atems unmittelbar aus dem schlammigen
Wirbel der farbigen Materie gestaltet, das
ist jedenfalls oberhalb des Üblichen. Peter
Ludwigs hingegen begnügt sich mit mo-
tivischen Angaben, wenn er das zerfetzte
Gesicht eines Soldaten oder die rauchenden
Schlote von Ruhrort auf die Leinwand
bringt. Neben solchen robusteren Erschei-
nungen geben sich H.B.Hundt und Bern-
hard Gaertner zarter, gewählter, ja Ver-
blasen und geschmäcklerisch. Josef Bell
streuselt belanglose Häuschen über Mittel-
meerküsten, terrassiert Städte dekorativ am
Ufer empor, wie es hundertmal da war.
Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
„Das junge Rheinland“ / Adolf
Küthe / Oscar Nerlinger / Adriaan
Lubb ers.
Der Begriff der lokalen Malerschule löst
sich mehr und mehr auf, im direkten Ver-
hältnis zum Wachsen der illustrierten
Kunstliteratur und gemäß der Erleichterung
von Verkehr und Versand zwischen den
Städten. Während der Name Düsseldorf
noch vor kaum hundert Jahren ein stilisti-
sches Programm bedeuten konnte, dessen
akademische Ausläufer erst gestern ganz
verschwanden, — während sogar noch vor
einem Jahrzehnt unter den beschränkenden
Umständen der Zeit die junge rheinische
Kunst eine durch ihre unverkennbare Son-
dernote festbegrenzte Provinz der Moderne
war, — erscheint heute dies Moment geo-
graphischer Bindung so gut wie aufgeho-
ben, zumal bei den jetzt in ihrem Beginn
Stehenden. Die in der Hauptsache nach
Düsseldorf zuständige Malergruppe „Das
junge Rheinland“, deren Mitgliedern die
„Berliner Sezession“ ihr Fünfzimmerdomi-
zil eingeräumt hat, wirkt in keiner Hinsicht
als geschlossene Einheit. Es möchte ins-
besondere schwer halten, eine bestimmte
örtliche Eigenart durchgehends aufzuzei-
gen. Und da auch keine bündlerische Ge-
meinsamkeit der Idee, kein frontaler Ge-
samtwille sich ausprägt, so verteilt sich das
Interesse sofort an mehrere einzelpersön-
liche Eindrücke. Diese Konstatierung, die
gewiß keinen Vorwurf enthalten soll,
scheint die Veranstaltung solcher lokal de-
finierter Gruppenausstellungen als über-
flüssig abzuweisen, und sicherlich käme
den nach Ausdrucksprinzipien, unter einem
stilistischen Motto zusammengestellten
Übersichten, wie sie leider fast völlig man-
geln, eine weit höhere Bedeutung zu. An-
drerseits aber zeigt es sich, daß die ohne-
dies überfüllten großen Sammelaktionen
der Akademie und der „Juryfreien“ die Auf-
gabe nicht bewältigen können, die aller-
orten lebendige Produktion mit dem haupt-
städtischen Zentrum in Fühlung zu brin-
gen. So begegnet Berlin z. B. im Kreise
dieser Jungdüsseldorfer lauter neuen Ge-
sichtem, und es erhellt, daß rein orga-
nisatorisch, als zuführende Einrichtungen,
solche Ortsriegenexkursionen ihren guten
Sinn haben. Wollte die „Sezession“ syste-
matisch Provinzvereinigungen einladen, so
würde sie sich um die Regeneration des
öffentlichen Kunstwesens ernstlich verdient
machen und gewiß am eigenen Leibe die
Auffrischung glücklich verspüren.
Schreitet man den Zirkel des „jungen
Rheinland“ aus, so haftet das zunächst
durch all die neuen Physiognomien und
eine gewisse allgemeine Stimmung der zu-
greifenden Unbekümmertheit erregte Inter-
esse doch nur an einigen Stellen. Der nicht
sehr auffällige Fritz Feigier erscheint
menschlich wie malerisch als der Reifste;
neben dem locker und mit heiterer Lebhaf-
tigkeit konterfeiten Musikpädagogen sah
man die knochige Gestalt eines bärtigen
Arbeiters, unbedingt wahr in der Einfach-
heit des Dastehens, in keiner Weise ten-
denziös oder pathetisch hergerichtet. Auch
Karl Schwesig überzeugt im Bildnis, ob-
wohl er in der Charakteristik wie im Pig-
ment etwas zäher ist; seine Radierungen
fesseln durch einen dezidierten, harten Um-
riß, dessen Konzentration freilich oft ge-
stört wird durch literarische Akzente und
„mysteriöse“ Anbringsel. Auch dem Füh-
rer der Schar und ihrem offenbar unge-
stümsten Talent, Gert Wollheim, scha-
det die Sucht, novellistisch zu geheimnis-
sen. Seine Zeichnungen lassen es sich an
einem ziemlich nichtssagenden Gekritzel
genügen, für das dann ein recht interessan-
ter Titel (etwa „O Artemis, aber der
Mensch“) erfunden wird. Aber das Verlan-
gen nach merkwürdigen Inhalten darf als
Zeichen geistiger Selbständigkeit gelten, wo
ihm eine eigenwüchsige Ausdrucksweise
entspricht. Wollheims schlackig verstriche-
ne, spontan hingepastete Malerei, aus deren
finsteren Gründen bunte Figuren geistern, be-
stätigt die inhaltliche Seltsamkeit der Szenen.
Mitunter erinnert sie an Meidners Anfänge,
ist aber ohne deren dynamischen Rausch.
Wie Wollheim den hutzligen Säugling
gelbbraun zwischen die weiße Fähigkeit
der Kissen packt, wie er das Brunstgewühl
des Schäfers, den tierischen Brodern der
Schlafkammer, das dumpfe Stoßen des
Atems unmittelbar aus dem schlammigen
Wirbel der farbigen Materie gestaltet, das
ist jedenfalls oberhalb des Üblichen. Peter
Ludwigs hingegen begnügt sich mit mo-
tivischen Angaben, wenn er das zerfetzte
Gesicht eines Soldaten oder die rauchenden
Schlote von Ruhrort auf die Leinwand
bringt. Neben solchen robusteren Erschei-
nungen geben sich H.B.Hundt und Bern-
hard Gaertner zarter, gewählter, ja Ver-
blasen und geschmäcklerisch. Josef Bell
streuselt belanglose Häuschen über Mittel-
meerküsten, terrassiert Städte dekorativ am
Ufer empor, wie es hundertmal da war.