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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 17
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Boll, Walter: Schwäbische Kunst des 19. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0887

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Schwäbische Kunst des ig. Jahrhunderts
Von WALTER BOLL
NACHDEM im vergangenen Jahr im „Stuttgarter Kunstsommer“ eine Aus-
stellung der neuen deutschen Kunst veranstaltet worden war, sind im Rah-
men der diesjährigen, hauptsächlich der schwäbischen Kultur gewidmeten Stutt-
garter Veranstaltungen zwei Ausstellungen schwäbischer Kunst zustande gekom-
men, die einen zusammenfassenden Überblick über die schwäbische Malerei und
Plastik des 19. Jahrhunderts und über das Schaffen der letzten 25 Jahre ver-
mitteln sollen.
Für die bedeutendste und wichtigste der beiden Veranstaltungen, die Aus-
stellung „Schwäbische Kunst des 19. Jahrhunderts“, hat man nach dem
Entwurf von Pankok auf dem sogenannten Interimstheaterplatz ein Ausstellungs-
gebäude errichtet, das unter Betonung seines provisorischen Charakters mit
Feingefühl den nicht gerade günstigen Geländeverhältnissen angepaßt ist. Das
schwäbische Schaffen des 19. Jahrhunderts in seinem ganzen Verlauf klar zu
legen, war eine seit langem gestellte Aufgabe. Nach der Berliner Jahrhundert-
ausstellung mußten notwendig die einzelnen Kunstzentren die lokale Entwicklung
mit ihren bemerkenswertesten Persönlichkeiten zusammenfassen, wie es nur aus
der tieferen Kenntnis des lokalen Privatbesitzes heraus möglich ist. Ähnlich
Düsseldorf ist auch in Stuttgart diese, seit langem geplante Veranstaltung erst
jetzt unter Leitung von Otto Fischer zustande gekommen. Der im Krieg ge-
fallenen^ H. O. Schaller hatte bereits von 1912 an dafür Material gesammelt, das
noch dieser Ausstellung zugute kommen konnte.
Hinsichtlich der Gliederung muß der Einwand erhoben werden: Der gewählte
Einschnitt, das Jahr 1800, läßt sich sachlich nur schwer rechtfertigen. Denn die
Blüte der Kunst in Stuttgart um die Wende des Jahrhunderts ist bereits das
zweite Stadium einer Entwicklung, die in der Hohen Karlsschule ihren Ausgang
genommen hat, und mindestens vom Jahre 1780 ab lassen sich bei einer Reihe
von Malern und Bildhauern die Auswirkungen der herzoglichen Kunstbestre-
bungen erkennen.
Der Empfangssaal der Ausstellung ist diesem Kreise der Hetsch, Schick,
Wächter, Seele, Dannecker und Scheffauer gewidmet. An erster Stelle Ph. Fr.
von Hetsch mit vorzüglichen Porträtkompositionen großen Formats, die noch
ganz in den duftigen Farben des ausklingenden Jahrhunderts gemalt sind. Leider
zeigt die Ausstellung aus seiner, fast vier Jahrzehnte (1800—38) umfassenden
späteren Zeit, die uns für seine Entwicklung im 19. Jahrhundert so interessant
wäre, nur ein qualitativ schlechtes Bild von unangenehm glasiger Härte. Zu Hetsch
hätte als Landschafter der ältere Hofmaler Harper, einer der wichtigsten Lehrer
der jüngeren Generation, gehört, von dem kein Bild vorhanden ist. Noch auf-
fallender ist, daß drei der bekanntesten, aus Württemberg stammenden Porträt-
maler der Zeit fehlen, die allerdings in keiner besonderen Beziehung zur Karls-
schule standen, deren Beziehungen zur schwäbischen Kunst aber wenigstens in
ihren Anfängen hätten aufgezeigt werden können: L. von Simanowitz, Oelen-
heinz und Füger, von denen die beiden Letztgenannten hervorragend gut auf
der Darmstädter Jahrhundertausstellung 1914 vertreten waren, an die die Stutt-
garter Schau in mehr als einem Punkt unmittelbar anschließt.
Mit Gottlieb Schick, der stärksten malerischen Begabung unter den Karls-
schülern, erreicht die schwäbische Malerei am Beginn des Jahrhunderts einen
ihrer Höhepunkte. Einige Porträts und die bekannten großen Kompositionen aus

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