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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 16
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Keim, Heinrich Wilhelm: Die moderne Kunst in der Düsseldorfer Jubiläumsausstellung 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0843

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Die moderne Kunst in der Düssel-
dorfer Jubiläumsausstellung 1925
Mit zehn Abbildungen auf fünf Tafeln Von H. W. KEIM-Düsseldorf
DIE moderne Abteilung der Jubiläumsausstellung ist von Dr. Kaesbach, dem
neuen Direktor der staatlichen Kunstakademie, zusammengestellt worden. Er
hat sich der schwierigen Aufgabe, in einem Querschnitt durch das künstlerische
Leben Düsseldorfs und Deutschlands die hier und dort wirksamen Kräfte und
Gegenkräfte aufzuweisen, mit Geschick und Geschmack entledigt. So konnte zum
ersten Male seit Kriegsende der Oberbürgermeister, der dem Akademiedirektor die
moderne Abteilung anvertraut hatte, eine Kunstausstellung eröffnen, deren Düssel-
dorf sich nicht zu schämen braucht. Ihr besonderes Gepräge erhält sie dadurch,
daß in ihr nur Werke gezeigt werden, die in den letzten beiden Jahren enstanden
sind. Zwar erfährt durch diese Begrenzung die Bedeutung des einen oder anderen
Künstlers eine ungünstige Verschiebung; dagegen aber ist der Beschauer in den
Stand gesetzt, ein klares Fazit des gegenwärtigen künstlerischen Schaffens zu
ziehen. Die Ausstellung ist also in diesem Teile bewußt ahistorisch.
Sie ist zugleich, was die Düsseldorfer Kunst angeht, möglichst erschöpfend. Es
war das Bestreben, wepn irgend angängig, jeden Maler in einigen seiner besten
Bilder vor die Öffentlichkeit zu stellen. Das aristokratische Prinzip der reinen
Qualität erfuhr also eine Modifizierung durch das demokratische der relativen
Werte. Alle ausgestellten Bilder haben also irgendeinen Vorzug für sich. Sie
scheiden sich aber fühlbar in passive und solche, die den Beschauer engagieren.
Schicksal der Düsseldorfer Traditionsmalerei ist es, zu jener Kategorie zu ge-
hören. Man geht von Saal zu Saal, ohne kaum einmal innerlich oder auch optisch
gefesselt zu werden. Man fühlt, es scheidet unsere Jugend von diesem Alter
mehr als ein Kunststil. Das liegt nicht daran, daß die Maler jener Bilder alt
sind. Te Peerdt, dem vor kurzem die philosophische Fakultät der Bonner Uni-
versität den Ehrendoktor verliehen hat, Liebermann, Corinth, viele Maler der
retrospektiven Abteilung sind heute durchaus lebendig; sie werden immer lebendig
sein, weil sie stark genug waren, den großen Problemen ihrer Kunst selbständig
zu Leibe zu rücken. Diese Kraftäußerung ist der beste Teil ihrer Kunst ge-
blieben; und Kraft löst immer Kraft aus, Strom oder Gegenstrom. Diese Intensität
der künstlerischen Auseinandersetzung jedoch, diese eigenwillige Primitivität, die
sich nicht mit vorgefundenen Lösungen zufrieden gibt, sondern von neuem be-
ginnen muß, wenn sie auch die Fragen nur aus der Gesamthaltung der Zeit
lösen kann, vermißt man in der älteren Richtung der Düsseldorfer Gegenwarts-
malerei bis auf einige wenige Ausnahmen.
Ganz auffällig hat sich Max Clarenbach verinnerlicht. Er, dessen frühe
Landschaften mit hohem Horizont den Hauch demütigen Erlebens tragen, hat
sich nach manchen Abwegen, auf die die Gunst des Publikums und Un-
sicherheit im künstlerischen Ausdrucksstil ihn lockten, zu intim durchlebten
Bildern gefunden, die unter Verzicht auf äußere Wirkung den stillen Zauber
rheinischer Landschaft festhalten. Wilhelm Schmurr hat vor silbrigen
Strom und einen grauen Himmel, in den gekreuzte Bohnenstangen wie ein
Abschluß von unbekannter, vielbewegter Ferne hineinragen, die Gestalt eines
jungen Mädchens gestellt, ganz flächig-schichtig, wie es seiner linearen Seh-
form entspricht, und damit zwingend die Gemütsstimmung einer vor dem
Leben erschrocken sich in sich zurückziehenden Mädchenseele zum Ausdruck
gebracht. Max Stern dagegen, an französischer Kunst geschult, malt mit
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